Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenstimmung

Totenstimmung

Titel: Totenstimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
Vom Netzwerk:
Bubikopf geschnitten. Sie trug ein älteres Brillenmodell, durch das ihre wasserhellen Augen unnatürlich groß wirkten. Ihre stämmige Figur steckte in ausgewaschenen Jeans und einem Anorak, dessen Reißverschluss sie trotz des warmen Wetters bis zum Hals zugezogen hatte.
    Sie zog Ecki derart in ihren Bann, dass er ihr einfach folgen musste. Alle paar Schritte blieb sie stehen, um die Passanten mit Gesten auf die Auslagen der Stände aufmerksam zu machen, dabei sprach sie kein Wort. Ecki meinte aber eine Melodie zu hören, die sie unablässig summte. Sie genoss sichtlich die Aufmerksamkeit, die ihr von vielen Seiten entgegengebracht wurde.
    »Wo steckst du?«, quäkte es aus dem Funkgerät, das innen in Eckis Lederjacke steckte.
    Ecki zuckte zusammen, so sehr hatte er sich auf die junge Frau konzentriert, die gerade mit ausgebreiteten Armen vor einem Wagen mit Käse stand und leise zu singen begann.
    »Bin unterwegs.« Ecki fühlte sich ertappt. Er warf einen letzten Blick auf die etwas unförmige Frau, die sich langsam im Kreis drehte wie eine Eiskunstläuferin, die Arme wie Flügel ausgebreitet.
    Schmunzelnd strebte Ecki der Wache zu.
    Jasmin Köllges sah Janowitz zu, wie er seine Gabel in einem großen Stück Käsesahnetorte versenkte. Sie selbst hatte nicht widerstehen können und ein Stück Grillage bestellt. Nun saß sie etwas ratlos vor dem halb gefrorenen Berg aus Sahne, Baiser, Schoko- und Nussstückchen. Wie konnte das Klübchen Rentnerinnen, das einen Tisch weiter saß, nur solche Stücke verdrücken? Das musste schon allein wegen des Altersdiabetes höchst gesundheitsgefährlich sein.
    Bislang war sie nicht weit gekommen. Janowitz hatte darauf bestanden, erst seinen Kuchen zu essen und dann zu reden.
    Der Busfahrer hatte sich keine Mühe mit seinem Äußeren gegeben. Die graue Hose passte zwar zu den dunkelgrauen Gesundheitsschuhen, machte aber einen ungebügelten Eindruck. Sein bunt gemusterter Pullover roch wie ein übervoller Aschenbecher. Jasmin musste sich abwenden, um nicht ständig auf die gelben Nikotinfinger zu starren.
    Das Hofcafé Alt Bruch war gut besucht. An diesem Nachmittag schienen besonders viele Niederländer das kurze Stück über die alte Grenze gekommen zu sein, denn Jasmin hatte auf dem Parkplatz eine ganze Reihe gelber Nummernschilder gesehen.
    »So.« Janowitz schob den Teller zufrieden von sich und sah sich um. »Die sind doch auf Kaffeefahrt«, bewertete er mit Kennerblick den Altersdurchschnitt der Gäste. »Aber ich habe keinen Bus gesehen. Wird sicher gleich vorfahren.«
    Jasmin Köllges schob ihre Kuchengabel über den oberen Teil des Kuchenstückchens. Zumindest die erste Lage Sahne war nun so weit geschmolzen, dass sie sie auf ihre Gabel bekam. Sie freute sich auf die Spezialität, obwohl sie eigentlich nur einen Tee hätte bestellen sollen. Seit sie auf Krücken unterwegs war, hatte sie deutlich zugelegt.
    »Schmeckt’s?« Janowitz klopfte seine Hosentaschen ab. »Ich geh schnell eine rauchen.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, stand er auf und verschwand in Richtung Ausgang.
    Auch gut, dachte Jasmin, dann kann ich den Kuchen in Ruhe essen.
    Die Polizeioberkommissarin hatte gerade ihren zweiten Kaffee bestellt und mit einer der Schwestern, die Alt Bruch bewirtschafteten und von denen eine einen Knieschaden auskurieren musste, über das Leben auf Krücken diskutiert, als Janowitz sich wieder an den Tisch setzte.
    »Was wollen Sie wissen?«
    Er roch nun noch stärker nach Nikotin.
    »Was haben Sie mir zu erzählen?«
    Franz Janowitz blinzelte gegen das Sonnenlicht, das durch das große Fenster an der Längsseite des Cafés fiel, und schwieg. Die Kommissarin sollte erst sagen, was sie wollte. Dann würde er die richtige Antwort parat haben.
    »Nun?« Jasmin Köllges trank vorsichtig einen Schluck.
    »Sie wollen doch was wissen.«
    »Okay, lassen wir die Spielchen.« Jasmin Köllges hatte es geschafft, ein größeres Stück Grillage aufzugabeln. Die kalte Süßigkeit ließ einen ihrer Zähne rebellieren. Sie verzog kurz das Gesicht. »Sie wissen, was mich interessiert: Gibt es einen vielleicht sogar regelmäßigen Transport von Illegalen aus dem Osten an den Niederrhein?«
    Janowitz musste husten. »Wir fahren nur, wenn alle legale Papiere haben. Das habe ich schon gesagt.«
    »Es gibt aber auch Papiere, die nur scheinbar legal sind.« Jasmin Köllges fühlte mit ihrer kalten Zunge über ihren Zahn. Sie würde zum Arzt müssen.
    Janowitz spielte mit der Zigarettenpackung.

Weitere Kostenlose Bücher