Totenstimmung
Begleiter schien das Walken diesmal nicht zu genießen. Dietmars Kopf war rot, und er wischte sich mehrfach mit dem Schweißband die Stirn.
»Du musst heute richtig kämpfen, was?«
»Hm.« Dietmar Gilleßen wischte sich erneut die Stirn.
»Geht’s dir nicht gut?«
»Hm.« Verbissen setzte Gilleßen einen Fuß vor den anderen.
»Sollen wir abbrechen? Wir können hier schon einbiegen.« Er deutete auf den Weg, der von der Schutzhütte abging, die die Weggabelung markierte.
Gilleßen schüttelte den Kopf. »Geht schon.«
»Bist du dir sicher?«
»Ganz sicher.«
Heinz-Jürgen Schrievers hatte trotzdem den Eindruck, dass sein Begleiter sich überforderte.
»Vielleicht sollten wir doch eine Apfelschorle trinken.«
Heinz-Jürgen Schrievers nickte erstaunt. »Wenn die Terrasse aufhat, können wir uns raussetzen.«
Dietmar Gilleßen schien einen Entschluss gefasst zu haben, denn er beschleunigte seinen Schritt. Wieder fuhr er sich mit seinem Schweißband über die Stirn.
Der Archivar musterte Gilleßens Handgelenk. »Interessantes Schweißband, das du da trägst.«
Gilleßen nickte und erhöhte noch einmal die Geschwindigkeit.
»Kannst du morgen früh kurz in der Werkstatt vorbeifahren? Der letzte Stuhl müsste heute fertig sein.« Lisa strich Frank über den Arm.
»Das kann ich dir nicht versprechen.« Frank gab ihr einen Kuss auf die Wange.
»Sind doch nur fünf Minuten. Nur kurz rein, und schon bist du wieder draußen. Der Stuhl wird bestimmt in deinen Wagen passen. Und grüß Tommy von mir.« Lisa bog ihren Kopf zurück und sah Frank mit lockendem Blick tief in die Augen.
Frank musste lachen. »Lass das, du machst mich nervös.«
Lisa strich ihm erneut leicht über den Arm.
»Na gut. Ich fahr vorbei. Und wer ist Tommy?« Frank zog Lisa an sich.
Sie küsste ihn sanft und löschte dabei das Licht.
Ecki deutete auf den Bildschirm. »Da ist sie wieder.«
Frank rückte näher an den Monitor heran. »Wen meinst du denn?«
»Die behinderte Frau. Sie war auch letzten Samstag auf dem Markt.« Ecki lächelte bei dem Gedanken.
Frank bat die diensthabende Kollegin, das Bild auf einen der anderen Bildschirme zu legen.
Er blickte in das Gesicht einer blonden jungen Frau, die neugierig vor dem Stand mit Socken und T - S hirts stand. Eine Hand ließ sie durch die aufgehängten Tops und Hemden gleiten. Die andere hielt sie fest vor ihren Bauch gedrückt.
Die Marktstände standen wieder dicht gedrängt, und noch dichter war diesmal der Strom aus Kunden, Müßiggängern und Neugierigen. Wie eine Woche zuvor hatte sich auch diesmal eine gelassene, heitere Stimmung über die engen Gassen zwischen den mobilen Läden gelegt, die sich zu Füßen der Altstadtfassaden ausgebreitet hatten. Beflügelt wurde das Treiben durch die frühsommerlichen Temperaturen an diesem Samstagvormittag.
Ecki deutete auf die Aufnahme. »Sie sieht lange nicht so unbeschwert aus wie in der vergangenen Woche. Was sie wohl hat?«
»Aber sie lächelt doch. Außerdem, warum soll es behinderten Menschen anders gehen als uns? Die Tagesform entscheidet«, wandte Frank ein. Seine Gedanken waren bei Lisa, die ihn nur ungern hatte gehen lassen. Bis zur letzten Sekunde hatte sie ihn bei sich im Bett festgehalten. Nur zum Schein schmollend hatte sie ihn schließlich freigegeben und ihn mit dem Hinweis verabschiedet, dass sie sich mit einer Bekannten zu einem späten Frühstück am Alten Markt verabredet habe.
»Für die Temperaturen heute ist sie warm angezogen, findest du nicht?«, meinte Frank eher beiläufig als interessiert zu Ecki.
»Was weiß ich, was in den Köpfen dieser Menschen vorgeht.« Ecki beobachtete konzentriert die beiden übrigen Bildschirme, auf die die Bilder der sieben Kameras projiziert wurden.
Frank richtete sich auf. Die junge Frau war aus dem Radius der Kamera verschwunden. »Lisa kommt nachher auch.«
»Trefft ihr euch?«
Frank schüttelte den Kopf. »Sie ist mit einer Freundin verabredet. Da will ich nicht stören. Und wer weiß, wie lange wir hier noch zu tun haben.«
»Ich habe sie jedenfalls noch nicht gesehen.«
»Wen?« Frank sah aus dem Fenster. Auf der Terrasse des St. Vith saßen bereits die ersten Frühstücksgäste.
»Na, Lisa.« Ecki deutete auf die Monitore.
Frank sah auf seine Armbanduhr. »Sie wird sicher noch bei ihrer Nachbarin Frau Maaßen sein.«
»Wie geht es der alten Dame denn?«
»Sie kann kaum noch richtig gehen und ist froh, dass Lisa ihr ein wenig im Haushalt hilft und einkauft.«
»Da
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