Totenstimmung
zu fassen bekommen. Beim schwungvollen Aufnehmen fiel etwas zu Boden, das die Hochzeit von Olivia und Christian Neuhausen nachhaltig beeinflussen sollte.
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So ist es genau recht. Endlich werden sie uns nicht länger ignorieren. Und du, du hörst jetzt auf zu jammern. Es wird bald vorbei sein.
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Rüdiger Bittner gab Frank seinen Bericht. »Viel ist es nicht. Das Ding ist durch alle möglichen Hände gegangen. Die Hochzeitstruppe hat alles haarklein in Augenschein genommen. Du willst gar nicht wissen, wie viele Fingerabdrücke wir gefunden haben, aber es war keiner unserer Kunden dabei.«
»Gut, dass der Rathaus-Hausmeister die Tasche überhaupt weitergegeben hat.«
Bittner nickte.
Ecki nahm die Fotos aus der Mappe und legte sie nebeneinander. »Auch wenn es nur eine Puppe ist, ich find’s gruselig.«
»Die Braut hat den ganzen Marktplatz zusammengeschrien. Im Gregorys ist der Bedienung vor Schreck Kaffee und Kuchen vom Tablett gefallen.«
»Wer war am Rathaus?«
»›Patte‹ Wilms und eine Kollegin. Der ist glatt übel geworden.«
»Diese Baby-Born-Dinger sehen wirklich echt aus. Man kann im ersten Augenblick schon meinen, dass einem echten Baby die Hände abgeschnitten wurden.«
»Was mag der rot verschmierte Mund zu bedeuten haben? Sieht ja grässlich aus.«
Rüdiger Bittner verzog den Mund. »Ich kann nur spekulieren. Vielleicht lebt da einer seine Phantasien aus. Die Bluesharp ist jedenfalls noch im Labor. Ich kann euch nur die Tonart schon sagen: F - D ur.«
»F?«
»Du bist der Bluesexperte.«
Ecki schob die Fotos zusammen. »Möchte wissen, warum der Kerl die Puppe regelrecht zerfetzt hat, bevor er die Harp in ihren Bauch gesteckt hat.«
»Psychopath.«
»Die Antwort ist mir zu einfach.«
Bittner zuckte mit den Schultern. »Euer Job. Ich halte mich an das, was ich sehe.«
»Jedenfalls danke für deine schnelle Arbeit.«
Frank fiel etwas ein. »Was gibt’s Neues in Sachen Tonband?«
Rüdiger Bittner hatte die Frage befürchtet. »Weißt du, jedes Modell hat seine Eigenarten. Es ist ein altes Gerät, ein Grundig TK 248. Jedenfalls nach den Geräuschen zu urteilen, die wir auf der CD gefunden haben. Wir haben zwar das Profil der Stimme herausfiltern können, aber auch in den LKA - und BKA -Dateien kein Pendant gefunden. Auch Radermacher musste eine Stimmprobe abgeben. Er ist sauber.«
»Also suchen wir einen Technikfreak?«, warf Ecki ein.
»Möglich. Aber das kann heute jeder, ein Handy bedienen und ein Tonbandgerät abspielen. Der Typ hat ein Prepaidhandy benutzt. Wir haben seinen Standort einigermaßen lokalisieren können: Nähe Großmarkt, Krefeld.«
Frank nickte nachdenklich. »In dem Szeneviertel fällt niemand so leicht auf. Ihr solltet die Gegend trotzdem mal unter die Lupe nehmen.«
Bittner grinste zufrieden. »Ich war so frei, ist schon veranlasst.«
»Warte.« Heinz-Jürgen Schrievers stützte sich auf seine Walkingstöcke. »Mach ’ne Doppelschleife, die hält.«
Dietmar Gilleßen sah ihn überrascht an. »Das hat mir das letzte Mal mein Vater geraten.«
»Dein Vater?«
»Als ich noch ein Kind war. So, fertig. Können wir?«
Der Archivar wunderte sich über die kurze, fast schnippische Antwort. Hatte er etwas Falsches gesagt?
»Stress?«
»Geht so.«
Heinz-Jürgen Schrievers zog es vor, vorerst nicht weiter auf die angespannte Laune seines Sportpartners einzugehen. Die klare Luft tat ihm gut, das junge Laub der Eichen und das frische Grün der Sträucher beruhigten seine Augen. Schon nach wenigen Hundert Metern hatte er das Gefühl, sich trotz seiner noch immer gut hundert Kilogramm fast schwerelos zu bewegen. Der vom Morgendunst noch feuchte Waldboden gab unter seinen Füßen federnd nach, der kühle Wald versprach einen unbeschwerten Marsch ohne Gedanken an sein Archiv, das es aufzuräumen galt, an Leid und Tod. Die Sorgen um den ausbleibenden Erfolg seiner Kollegen schienen für kurze Zeit verflogen, er spürte nur seinen Körper.
An diesem Morgen waren erst wenige Radfahrer unterwegs, das leise Knirschen ihrer Reifen hatte etwas Vertrautes. Ein paar Jogger zogen an ihnen vorbei. Ihre drahtigen Körper ließen vermuten, dass sie schon größere Distanzen bewältigt hatten als der Archivar und sein schweigsamer Begleiter.
»Hast du nachher noch Zeit für eine Apfelschorle?« Schrievers mochte das Schweigen nicht länger ertragen.
»Du weißt doch, dass ich ins Geschäft muss.«
Heinz-Jürgen Schrievers sah Dietmar von der Seite an. Sein
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