Totenstimmung
ein Stück größer zu machen.
»Schmetterlinge?« Ecki versuchte seine Gedanken zu sortieren.
»Mensch, Ecki, verstehst du nicht? Die Frau ist eine tickende Zeitbombe. Die Schmetterlinge, von denen der Anrufer gefaselt hat! Das sind Splitter! Die Splitter eines Sprengstoffgürtels! Die Frau soll sich auf dem Alten Markt in die Luft sprengen! Sie hat den Zündmechanismus in der Hand! Wir müssen raus und sie aufhalten, sonst gibt es ein Blutbad! Sie wird sich auf dem Alten Markt in die Luft jagen! Deshalb ist sie hier! Deshalb das ausgebeulte Sweatshirt! Sie trägt einen Sprengstoffgürtel!« Frank war schon fast an der Tür. Nicht nur die Frau, die immer noch wegen ihres zugeparkten Autos lamentierte, und der Mann mit der Vorladung starrten Frank verständnislos an, sondern auch Franziska Sperber und Ecki.
»Sie ist weg.«
Frank stoppte mitten in der Bewegung und drehte sich wie in Zeitlupe zu der Kollegin um.
»Ich habe sie verloren. Sie muss irgendwo im toten Winkel stecken.«
Die Polizeioberkommissarin fuhr mit dem Joystick hin und her und schüttelte dann den Kopf.
»Warte, Frank. Lass uns in Ruhe überlegen.«
Frank stand wieder hinter Franziska Sperber. »Wir dürfen sie nicht verlieren.« Seine Stimme überschlug sich fast.
Schlagartig war ihm der Sinn des Novalis-Songs klar geworden. Der Unbekannte benutzte einen arglosen Menschen für sein Verbrechen. Wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß, wie Wolken schmecken: Eine perfidere Umschreibung seiner Pläne hätte der Unbekannte nicht finden können.
»Der PP muss informiert werden, das Innenministerium. Wir müssen den Markt abriegeln.« Ecki griff zum Telefon.
»Warte!« Frank deutete auf die blonde Frau. »Siehst du die weißen Kabel? Sie trägt Ohrstöpsel. Vielleicht bekommt sie Anweisungen. Wir dürfen kein Risiko eingehen.«
»Das ist bloß ein iPod«, warf Franziska Sperber ein.
»Wer sagt denn, dass sie die Anweisungen live bekommt?! Kann sein, dass sie ein Band abhört und jeden Schritt erklärt bekommt. Ich gehe raus.«
»Spinnst du?« Ecki sah Frank entsetzt an.
»Sollen wir warten, bis sie sich in die Luft sprengt? Sie kann jede Sekunde den Knopf drücken! Siehst du die vielen Menschen da draußen? Sie wird Dutzende Unschuldige mit in den Tod reißen!« Franks Entschluss stand fest. Er würde da rausgehen und versuchen, diese lebende Bombe zu entschärfen.
»Du bist kein Sprengstoffexperte, geschweige dass du wüsstest, wie du mit einer Behinderten umgehen musst. Frank!«
Aber Frank winkte nur ab, griff sich ein Funkgerät und war bereits an den beiden unfreiwilligen Zeugen vorbei.
»Sie bleiben hier«, rief er dem Mann und der Frau zu, die immer noch nicht begriffen hatten, was in diesem Augenblick um sie herum passierte.
»Ruft mich an, und gebt mir ihre Position durch. Und verständigt die anderen.«
Bevor Ecki etwas sagen konnte, hatte Frank die Tür aufgestoßen und lief schon die Eingangsstufen hinunter.
Die Helligkeit blendete ihn für einen Augenblick. Ein Pärchen schlenderte händchenhaltend an Frank vorbei Richtung Rathaus Abtei, im Vorbeigehen legte die junge Frau eine Hand auf den steinernen Mantel des Balderich, der seit eh und je stolz die Zufahrt zum ehemaligen Benediktinerkloster bewachte.
Frank musste einen Augenblick warten und mehrere Linienbusse passieren lassen, ehe er die Straße überqueren konnte. Sein Blick ging nach oben, wo er auf der Ecke des Modehauses eine der Kameras sehen konnte. Er wusste, dass ihn die Kollegen im Blick hatten. Er eilte an den offenen Türen der Kneipen vorbei und hielt dabei nach der Frau Ausschau, die Tod und Verderben unter ihrem dunklen Sweatshirt trug.
Was er tun würde, wenn er sie entdeckt hätte, wusste er noch nicht. Erst musste er sie finden. Ein Lachen in seinem Rücken elektrisierte ihn. Lisa! Er drehte sich um, aber er hatte sich getäuscht. Es war nicht Lisa. Er sah eine Frau, die sich eng an ihren Freund drückte und ihn dabei anlachte.
Lisa! Wie angewurzelt blieb er stehen. Seine Freundin durfte auf keinen Fall in die Stadt kommen!
»Ecki!«
»Ja?« Eckis Stimme kam kratzend aus dem Funkgerät.
»Ruf Lisa an! Sie darf auf keinen Fall auf den Alten Markt kommen.«
»Ich versuch’s.«
Mehr konnte Frank im Augenblick nicht tun. Er musste sich auf seinen Freund verlassen.
»Ecki?«
»Ich höre.«
»Wo ist sie?«
Es dauerte einen Augenblick, bis Ecki sich meldete. »Sie ist immer noch im Bereich des Textilstandes. Dein
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