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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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heute Nachmittag schon was vor?«
    »Ich nicht«, platzte ich viel zu schnell heraus. Das Fußballtraining konnte ich ja auch mal ausfallen lassen, ich war ohnehin die Eifrigste von allen.
    »Nein, nichts Besonderes, wieso?«, fragte Vanessa.
    »Wir könnten in die Stadt fahren«, sagte Klara.
    »Okay«, meinte Vanessa und ich nickte.
    Wir verabredeten uns für drei Uhr an der S-Bahn.
    Als ich am verabredeten Treffpunkt ankam, war ich aufgeregt. Vanessa tat gelangweilt, aber an der Art, wie sie ständig ihre Haare zwirbelte, erkannte ich, dass auch sie nervös war. Klara war pünktlich.
    »Seid ihr cool?«, fragte sie, als wir in der Bahn saßen, und sah uns dabei forschend an.
    »Wie meinst du das?«, entgegnete Vanessa.
    »Ich kann keine Feiglinge gebrauchen.«
    »Wobei?«, wollte ich wissen. Und dann erklärte sie es uns.
    Zu dritt betraten wir den edlen Laden, der in einer Straße mit ähnlich teuren Geschäften lag. Meine Mutter kaufte dort gelegentlich ein, aber nur am Ende einer Saison, wenn die Sachen deutlich heruntergesetzt waren. »Die haben nun mal die schönsten Kaschmirpullover der Stadt«, pflegte sie zu seufzen.
    Es war also nicht gerade ein Laden, in den sich fünfzehnjährige Mädchen normalerweise verirrten, und entsprechend misstrauisch musterten uns die beiden Verkäuferinnen.
    »Wir möchten uns nur mal umsehen. Wir suchen ein Geschenk für meine Mutter«, erläuterte Klara der hageren Dame, die hinter der Kasse saß. Schon strichen ihre Hände über einen Stapel wolkenweiche Pullis. Vanessa betrachtete andächtig eine Reihe von Handtaschen, die kostspielig glänzend in einem Regal thronten. Ich blieb einfach mitten im Laden stehen, als hätte ich noch nicht entschieden, wonach ich suchen sollte. Wir waren die einzigen Kundinnen im Geschäft und ich fragte mich, ob sich die beiden Verkäuferinnen hier nicht zu Tode langweilten. Nachdem ein paar Minuten vergangen waren, klatschte ich die Hände vor meinem Gesicht zusammen. Die zweite Verkäuferin, eine Blonde mit einem Pferdegesicht, die gerade Pashmina-Schals nach Farben sortierte, fuhr herum und sah mich verwundert an. Ich lächelte harmlos und widmete mich einem Ständer, an dem Gürtel hingen. Ein brauner mit einer schlichten Schließe und einem hübschen Lochmuster gefiel mir sofort. Was, wie bitte? Hundertzwanzig Euro? Die waren wohl verrückt! Wieder klatschte es. Dieses Mal war es Klara.
    »Ist etwas?«, fragte die Dürre und linste hinter der Kasse hervor.
    »Nein, nein.« Klara wandte sich wieder den Pullovern zu.
    Jetzt klatschte Vanessa und wedelte gleich darauf hektisch mit den Händen vor ihrem Gesicht herum. »Hier sind so kleine Schmetterlinge«, erklärte sie.
    »Kleine Schmetterlinge?«, wiederholte die Blonde beunruhigt.
    »Was für kleine Schmetterlinge?«, wollte nun auch die andere Dame wissen und stand von ihrem Hocker auf.
    »So kleine graue«, präzisierte ich. »Vorhin ist mir so einer fast ins Gesicht geflattert.«
    »Was?«, rief die Hagere, nun sichtlich erschrocken.
    »Solche«, sagte Klara, die erneut in die Luft geklatscht hatte, und hielt dem blonden Pferdegesicht ihre Hand unter die Nase. Auf ihrer Handfläche war ein Klecks aus grauem Staub zu sehen. Es war lediglich der Dreck aus einem Bleistiftspitzer, aber so genau schaute die Frau gar nicht hin.
    »Scheiße, Motten«, kreischte sie.
    »Lieber Himmel! Hol sofort das Spray!«, ordnete die Dürre an, während ihre Blicke panisch durch den Laden glitten. Sofort stürzte die Blonde durch eine weiß lackierte Schwingtür in einen Nebenraum.
    »Da ist wieder so einer«, rief Klara. »Da fliegt er.«
    »Wo?« Der Blick der Dünnen folgte Klaras Finger, der in die Ecke zeigte, in der sich die Umkleidekabine befand. Verzweifelt rüttelte die Frau am Vorhang der Umkleidekabine. »Die müssen wir sofort kriegen, die fressen mir sonst die ganzen Pullover auf. Helen, wo bleibst du denn mit dem Spray? Beeil dich doch mal!«
    »Ich kann’s nicht finden!«, jammerte es aus dem Off.
    Die andere stöhnte genervt. »Entschuldigen Sie mich«, sagte sie zu Klara. Die nickte verständnisvoll. »Schon gut.«
    Kaum war auch sie hinter der Schwingtür verschwunden, taten wir, wofür wir hergekommen waren, und als die Blonde endlich mit einer Spraydose erschien, hatten wir den Laden längst wieder verlassen. Auf der Straße begannen wir zu rennen, wir rannten um die Ecke und um die nächste, wo, wie bestellt, gerade eine Straßenbahn hielt. Außer Atem erreichten wir den letzten

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