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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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Mutter.«
    Sie war eine zarte, früh verwelkte Schönheit mit aschblondem Haar und großen grauen Augen, um die ein Netz von feinen Fältchen lag. Der elegant geschwungene Mund, der nun müde lächelte, hatte Ähnlichkeit mit dem ihrer Tochter. Ansonsten strahlte sie nichts von deren Dynamik aus – und sie sah auch nicht so aus, wie ich mir eine Köchin vorstellte. Sie trug ein langärmeliges, wadenlanges schwarzes Kleid, das die Blässe ihres Gesichts noch unterstrich.
    Vanessa und ich sagten Frau Zink artig Guten Tag, dann folgten wir Klara, die bereits die ersten ausgetretenen Holzstufen erklommen hatte. Ein Telefon klingelte. Wir schraken zusammen und blieben unwillkürlich auf der Treppe stehen. Es war ein überlauter, schriller Ton, wie ihn nur uralte Apparate absondern, meine Großmutter besaß noch so ein Ding, sogar mit Wählscheibe. Der Apparat, der, wie ich nun entdeckte, auf dem Fußboden hinter dem Garderobenständer stand, klingelte erneut. Klara erwachte aus ihrer Starre, sie begann, die Stufen wieder hinunterzugehen, um den Hörer abzunehmen, aber ihre Mutter hob die Hand und sagte eine Spur zu laut: »Nicht!«
    Mutter und Tochter sahen einander an. In den Augen der Frau glaubte ich, Angst zu sehen. Es läutete erneut.
    »Geht hoch«, sagte Frau Zink, nun mit leiser Stimme, aber sie machte keine Anstalten, den Hörer abzunehmen, sondern verschwand in der Küche. Etwas an ihrem Gang war seltsam, ich war mir nicht sicher, aber es sah aus, als ob sie hinkte.
    Wir stiegen hinter Klara die Treppe hinauf. Unten schrillte das Telefon weiter, es ging fast eine Minute so, dann kehrte endlich wieder Stille ein. Klara öffnete eine von drei Türen, die von einem Flur abgingen, der ebenso leer war wie der untere. In ihrem Zimmer standen ein einfaches Bett, das mit einer roten Wolldecke verhüllt war, ein Bücherregal, ein Schrank und ein Schreibtisch. Ohne je eine Gefängniszelle von innen gesehen zu haben, war ich mir sicher, dass manch eine gemütlicher eingerichtet war als dieses Zimmer. Auch hier gab es kein Bild, kein Poster, keine Stofftiere, es fehlte jeglicher Schnickschnack, wie er sich im Lauf der Zeit im Zimmer eines jungen Mädchens unweigerlich ansammelt. Im Regal standen fast nur Schulbücher, auf dem Schreibtisch lag ein Laptop. Vanessa und ich setzten uns aufs Bett, keine von uns sagte etwas.
    »Wollt ihr was trinken?«, besann sich schließlich Klara auf die Rolle der Gastgeberin.
    »Habt ihr ’ne Cola oder so was?«, fragte Vanessa. Ich blieb stumm.
    »Ich schau mal nach.« Klara verschwand wieder nach unten. Vanessa und ich saßen mit verknoteten Händen auf der Bettkante.
    »Ein eigenartiges Zimmer«, bemerkte Vanessa.
    »Ein eigenartiges Haus«, fügte ich hinzu.
    »Und eine komische Mutter«, flüsterte Vanessa. Dann schwiegen wir. Mehr gab es dazu nicht zu sagen. Nachdem drei, vier endlos lange Minuten um waren, fragte Vanessa: »Wo bleibt sie nur? Muss sie die Cola erst im Supermarkt holen?«
    Ich hielt es nicht länger aus. »Ich schau mal nach.« Auf leisen Sohlen trat ich hinaus auf den Flur. Von unten drang die erregte Stimme von Klaras Mutter herauf: »… gewusst, dass das passieren wird. Es macht alles nur schlimmer, es hat überhaupt keinen Sinn.«
    »Quatsch«, hörte ich Klara widersprechen. »Das kann alles Mögliche gewesen sein. Jetzt reg dich mal nicht auf.«
    »Und was denkst du dir eigentlich dabei, diese Mädchen mit hierher zu bringen?« Wieder die verhaltene Stimme der Mutter. »Was ist nur in dich gefahren? Du weißt doch, in welche Gefahr uns das bringen kann!«
    Ich hielt den Atem an, während ich mich bemühte, der kryptischen Unterhaltung dort unten zu folgen. Wovon sprachen die beiden?
    »Jaja, ich weiß!« Klara klang jetzt trotzig. »Aber Vanessa und Carolin sind in Ordnung, sie werden nichts verraten. Und außerdem habe ich es allmählich satt …«
    »Pst, du bist viel zu laut!« Klaras Mutter klang erschrocken. Gut, dass sie mich nicht sehen konnte!
    Aber Klara war nicht mehr zu bremsen, es schien ihr völlig egal zu sein, ob wir sie hörten oder nicht. »Ich möchte auch endlich Freundinnen haben und so leben wie alle anderen Mädchen in meinem Alter.« Polternd krachte eine Schranktür zu, dann hörte ich Schritte und zog mich rasch ins Zimmer zurück. Vanessa warf mir einen fragenden Blick zu, aber ich schüttelte nur kurz den Kopf. Jetzt war keine Zeit für Erklärungen, ich verstand das alles ja selbst nicht.
    Kurz darauf kam Klara mit drei Gläsern

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