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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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schienen ihr zu reichen.
    Nicht nur an den neidischen Blicken, die ich spürte, wenn ich in der Schule mit Klara zusammen war, merkte ich, wie viel sich auf einmal für mich verändert hatte: Plötzlich war ich jemand innerhalb der Klassengemeinschaft, eine, die cool genug war, um mit Klara Zink befreundet zu sein. Die meisten meiner Mitschüler hofierten Klara noch immer wie eine kleine Königin, aber Klara selbst ließ das alles nach wie vor kalt. Die Freundschaft mit Vanessa und mir schien ihr dagegen wirklich wichtig zu sein. Mir schmeichelte ihre Aufmerksamkeit sehr und es machte mir überhaupt nichts aus, dass sie die Anführerin in unserer kleinen Dreiergruppe war. Natürlich merkte ich, dass sie sich Vanessa und mir gegenüber nie ganz öffnete und auf Distanz ging, sobald ihr eine Frage oder ein Thema nicht passte, aber ich dachte mir irgendwie nichts weiter dabei. So war Klara eben – stolz, cool und immer ein bisschen unnahbar. Mit der Zeit würde sie uns sicher erzählen, wo sie früher gelebt hatte, was ihre Eltern machten, warum sie die Schule mitten im Schuljahr hatte wechseln müssen.
    Ich stellte viel zu wenige Fragen in dieser Zeit, fand einfach alles gut so, wie es war. Bis zu dem Tag, an dem Klara uns zum ersten Mal zu sich nach Hause einlud, fünf Wochen und drei Tage, nachdem sie in unsere Klasse gekommen war.
    Mit einem rostigen Quietschen schloss sich die Pforte zum Garten des Grundstücks. Klara ging voran, wir folgten den Waschbetonplatten, die auf die Haustür zuführten. Ich hatte Herzklopfen. War es die düstere Atmosphäre, die dieses Haus ausstrahlte? Aber warum eigentlich? Nur, weil ein frischer Anstrich fehlte und der Putz ein wenig bröckelte? Immerhin waren heute die Rollläden hochgezogen und jemand hatte vor einiger Zeit den Rasen gemäht, er war stoppelig und mit braunen Flecken übersät. Der Schnitt lagerte in einer Ecke des Gartens und ein lauer Wind trug den Geruch von faulendem Gras zu uns herüber. Seltsame Gedanken überkamen mich. Was lauerte hinter diesen schmutzgrauen Wänden? Mir fiel auf, dass weder an der Pforte noch an der Haustür, vor der wir nun stehen geblieben waren, ein Name stand. Auch einen Briefkasten hatte ich nicht entdecken können. Wie erhielten Klara und ihre Mutter ihre Post?
    Klara klimperte mit ihrem Schlüsselbund und schaute erst Vanessa, dann mich ernst an, so als wollte sie abschätzen, ob wir es wirklich wert waren, ins Allerheiligste eingelassen zu werden. Auch Vanessa war nervös: Ihre Augenlider zuckten unkontrolliert, die Wangen glühten.
    Fast erwartete ich, noch eine Ansprache von Klara zu hören, Verhaltensmaßregeln oder dergleichen, aber sie schwieg und schloss die Haustür auf. Wir folgten ihr. Ein dämmriger Flur mit braun gefliestem Fußboden empfing uns. Ich musste an meinen Vater denken, der sich täglich über »die Zustände« in unserem heimischen Entree mokierte. »Hier sieht’s schon beim Reinkommen aus wie bei Hempels unterm Sofa«, pflegte er zu nörgeln – um dann seine Aktentasche und den Laptop zwischen herumliegende Schuhe, Handtaschen, Schulranzen, Fußbälle und Sportklamotten zu platzieren. An diesem Flur hätte er vermutlich seine helle Freude gehabt: Zwei Jacken hingen schlaff an einem Garderobenständer – und das war dann auch schon alles. Sonst gab es nichts, nicht einmal einen Schuhschrank. Kein Bild hing an den vergilbten Wänden, es herrschte eine irritierende Leere. Jedes Haus hat seinen speziellen Geruch. Unseres roch nach dem Orangenöl, mit dem meine Mutter die Möbel und den Holzboden behandelte, und manchmal auch nach ihrem Parfum oder dem indischen Essen, mit dem sie hin und wieder unsere Geschmacksnerven malträtierte. Der Geruch in Klaras Haus ließ mich an altes, tagelang abgestandenes Blumenwasser denken.
    »Kommt mit rauf«, sagte Klara und strebte auf eine steile Treppe zu. Im Vorbeigehen erhaschte ich einen Blick in die Küche, deren Mobiliar wohl ein gutes Stück älter war als ich. Auch hier zeugte nichts von Leben, nichts stand herum, kein Geschirr, keine Nahrungsmittel. Bei uns zu Hause war die Küche das Herzstück des Familienlebens, doch diese hier wirkte völlig unbenutzt. Vielleicht brachte Klaras Mutter das Essen von der Arbeit mit, überlegte ich. Sie war ja Köchin. Irgendwo lief ein Fernseher, eine Gerichtsshow, wie ich aus den Dialogfetzen entnehmen konnte, und plötzlich stand eine Frau neben der Treppe.
    »Das sind Vanessa und Carolin, aus meiner Klasse – meine

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