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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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bedauernswerten Vogels war der Preis.
    Ich bückte mich und nahm die Taube in die Hand. Ihre Krallen waren eiskalt, der Bauch dagegen warm und flaumig. Ich konnte ihren Herzschlag in meiner Handfläche spüren.
    »Carolin, nicht!«, kreischte Vanessa.
    »Lass sie in Ruhe«, herrschte Klara sie an. Vanessa wich zurück, die Hände vor den Mund gepresst.
    Klara nickte mir zu. »Du musst den Kopf ruckartig vom Körper wegziehen und dabei umdrehen, dann bricht es ihr das Genick«, sagte sie in einem Tonfall, als würde sie mir die Funktionen eines Fahrkartenautomaten erklären.
    Ich umfasste den Kopf der Taube mit der rechten, meine linke Hand krampfte sich um den Vogel. Und dann zog ich. Niemals mehr werde ich das Knacken des brechenden Halswirbels vergessen. Es war nur ein leiser Ton, aber er brannte sich für alle Zeiten in mein akustisches Gedächtnis. Die Taube war sofort tot. Ihre Muskeln erschlafften, der Herzschlag verebbte, der Kopf baumelte herab. Ich ertrug das Gewicht des Vogelkörpers nicht länger in meiner Hand, also legte ich ihn unter das Gebüsch neben dem Gehweg. Danach stiegen wir auf unsere Räder und fuhren langsam nach Hause, zum ersten Mal zu dritt.
    Ab sofort gehörte ich zu Klaras Hofstaat, was mir prompt einen höheren sozialen Status bescherte. Niemand nannte mich mehr Streberin, nicht einmal, als unser Deutschlehrer der Klasse meinen letzten Aufsatz vorlas. Noch vor Kurzem wäre ich bei so einer Gelegenheit vor Scham am liebsten im Boden versunken, jetzt saß ich zumindest schon mal aufrecht da und dies sogar, ohne tomatenrot anzulaufen. Es war mir zwar immer noch ein wenig peinlich, ich war es nicht gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen, aber ich überstand die Sache tapfer. Nach der Stunde lächelte mir Klara anerkennend zu. Überhaupt – ihr Lächeln: Man bekam es nicht oft zu sehen, aber wenn, dann war es wie ein wärmender Strahl, dessen Wirkung man sich kaum entziehen konnte. So wenig Klara mich in den ersten Tagen beachtet hatte, so sehr schien sie meine Gegenwart nach dem Vorfall mit der Taube auf einmal zu schätzen. Manchmal hakte sie sich in den Pausen bei mir unter und schlenderte mit mir über den Schulhof, während sie sich mit älteren Schülern oder mit Daniel unterhielt. Er, der für seine Fairness bekannt war, lästerte dann unverhohlen über Mitschüler und Lehrer, während ihm Klara amüsiert zuhörte. Ab und zu krönte sie eine seiner Bemerkungen mit einer noch zynischeren Draufgabe und stupste mich in die Seite, als Aufforderung, es ihr gleichzutun. Doch aus Furcht, etwas Dummes zu sagen, schwieg ich die meiste Zeit und horchte stattdessen in mich hinein, um mir über meine Gefühle klar zu werden. Ich hätte doch eigentlich vor Eifersucht platzen müssen, aber ich fühlte nichts dergleichen und kam zu dem Schluss, dass diese albernen Tagträume Daniel und mich betreffend wohl endgültig in der Rubrik »Kinderkram« abgelegt werden konnten.
    Selbst das Besondere wird irgendwann alltäglich und nach zwei, drei Wochen hatte sich die Klasse einigermaßen an Klara gewöhnt. Die Clique um Selina, bisher das Alphaweibchen der 9 b, erwachte aus ihrer Schockstarre. Langsam wagten sich die Hyänen aus der Deckung und bald hatten sie Klaras vermeintliche Schwachstelle herausgefunden: das Nichtvorhandensein von Marken-Klamotten und sonstigen angesagten Lifestyle-Accessoires. Für mich, die ich mit solchen Dingen ebenfalls nicht allzu viel anfangen konnte, war Klaras Verzicht auf alberne Handtaschen, bonbonfarbene Handys, Designer-Gürtel und High-Heel-Sandaletten lediglich ein Zeichen ihrer Stilsicherheit. Für die anderen war es die perfekte Angriffsfläche. Irgendwann setzte eine dieser Zicken den Spitznamen »Hippie-Schlampe« in die Welt, eine andere nannte Klara »Aschenputtel«. Bis jetzt fanden die Lästereien allerdings nur hinter ihrem Rücken statt, eine offene Konfrontation mit der scharfzüngigen Klara scheuten sie – noch. Ich war mir sicher, dass Klara davon wusste. Doch das Gerede schien ihr vollkommen egal zu sein, und als ich sie darauf ansprach, zuckte sie nur gleichgültig die Achseln, grinste mich an und sagte: »Lass sie reden. Was kümmern uns diese eingebildeten Schnepfen!«
    Vanessa beneidete mich indessen glühend um das zarte Band zwischen Klara und mir, das merkte man ihr deutlich an. Sie beteiligte sich zwar nicht an den Lästereien der Giftspritzen, aber sie versuchte immer wieder, mich über Klara auszuhorchen.
    »Weiß man eigentlich, woher sie

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