Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed

Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed

Titel: Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
Vom Netzwerk:
anzustellen, um auch die letzten Zweifel auszuräumen. Außerdem erwartete Siri einen wichtigen Anruf aus Vientiane. Die Leiterin des Gästehauses war am Boden zerstört, als sie erfuhr, dass der alte Arzt und die dicke Krankenschwester noch da waren und zwei wertvolle Zimmer belegten. Zum Glück hatten sie das »Beweisstück« fortgeschafft, denn sie wusste nicht, wie sie dem Genossen Khong aus Vientiane das hätte erklären sollen.
    Am Vortag hatte Dtui die kleine Panoy in ihr Dorf zurückgebracht. Damals hatte die große Landflucht noch nicht eingesetzt, und das Wort »Nachbarn« bedeutete mehr als nur »die Leute nebenan«. Gegenüber von Panoys Mutter wohnte eine Frau, die durch denselben Konflikt zur Witwe geworden war, der Panoys Vater das Leben gekostet hatte. Sie nahm Dtui das Mädchen ab, als stünde es gänzlich außer Frage, wo es leben und aufwachsen würde. Ohne große Umstände hatte das Dorf die Lücke in Panoys Leben ausgefüllt wie weiße Blutkörperchen, die eine
Wunde schließen, ohne eine Narbe zu hinterlassen. Ohne Debatte, ohne Diskussion.
    Dtuis Bewunderung für diese Menschen kannte keine Grenzen. Ihre Mutter war einst eine von ihnen gewesen. Auch Dtui war in einem solchen Dorf zur Welt gekommen, hatte aber keinerlei Erinnerung daran. Dies war ihr Land. Und dies war ihr Volk: freundliche, selbstlose, ehrliche Menschen. Neunzig Prozent aller Laoten bestellten den Boden und setzten sich füreinander ein. Dtui saß unter einer Markise auf dem Platz inmitten dieses Dreißig-Hütten-Dorfes und sah, was aus ihrem Land hätte werden können, wenn es über sich selbst hätte bestimmen dürfen.
    Die Dorfkinder hatten sogleich erkannt, dass Panoy noch nicht wieder ganz gesund war, und bezogen sie behutsam in ihre Spiele ein. Die Leute nickten und lachten über einfache Dinge. Sie kamen mit Süßigkeiten und Getränken für die nette Krankenschwester, die dieses Kind des Dorfes den Fängen des Todes entrissen hatte. Obwohl alle beschäftigt waren, wirkten sie ungemein entspannt. Sie alle hatten Zeit für ein Schwätzchen mit Dtui, und wenn ihnen keine Frage einfiel, setzten sie sich einfach zu ihr und hielten ihre Hand.
    Als sie so dasaß, fiel ihr plötzlich etwas auf. Wie in jedem anderen Dorf tummelten sich das Vieh, die Babys und die Hunde in ein und demselben Staub. Die Hühner pickten den ganzen Tag nach den vielen tausend Ameisen, die zusammen kaum eine Kalorie enthielten. Das Spielen im Dreck stärkte das Immunsystem der Kinder, doch der Spielkamerad eines kleinen Jungen ließ Dtui stutzen. Ein so sonderbares Wesen hatte sie noch nie gesehen. Aus der Ferne sah es aus wie ein kleines schwarzes Schwein. Aber
es war irgendwie anders als andere Schweine. Statt Füßen hatte es Pfoten. Und es besaß zwar einen Ringelschwanz, doch der wedelte hin und her. Obwohl es eigentlich hätte grunzen oder quieken müssen, kläffte es den kleinen Jungen an und hatte sichtlich Spaß an ihrem Spiel.
    Sie hätte einfach fragen können. Oder näher treten, um sich zu vergewissern, dass das Ferkel Schlamm an den Füßen und noch dazu eine schwere Erkältung hatte, doch stattdessen entschloss sie sich zu gehen. Obwohl sie sich in einem animistischen Dorf inmitten eines offiziell agnostischen Landes befand, hielt sie zuvor kurz Zwiesprache mit Buddha. Sie versprach, sich nie wieder über die Gesetze der Natur lustig zu machen. Sie habe ihre Lektion gelernt.
    Sie küsste Panoy auf die Wange, in der Gewissheit, dass das Mädchen sich im Falle eines Wiedersehens wohl nicht an sie erinnern würde. Sie dankte allen, obgleich niemand so recht wusste, wofür, und verließ das kleine Dorf. Ihr Mutterinstinkt war erwacht, und sie wünschte sich nichts sehnlicher als einen Ehemann und eine eigene Familie.
     
    Für den Genossen Lit gab es nur einen Grund, weshalb Dr. Siri und Schwester Dtui sich noch immer in Vieng Xai aufhielten, obwohl das Rätsel des Kubaners in Beton gelöst war. Seit er seinen Bericht eingereicht hatte, war er mit den Sicherheitsvorkehrungen für das Konzert beschäftigt gewesen. Tags zuvor hatte er im Gästehaus vorbeigeschaut, doch niemand wusste, wo die beiden steckten. Als er es gegen Abend ein zweites Mal versuchte, waren sie noch immer nicht zurück. Eigentlich hätte er sich auf das bevorstehende Großereignis konzentrieren sollen, aber er konnte an nichts anderes denken als an Schwester Dtui.

    Er war zu dem Schluss gelangt, dass Dr. Siri sich bereit erklärt hatte, als ihr Zeuge zu fungieren, wenn

Weitere Kostenlose Bücher