Totentanz
wegdrückte. Der erste Anruf an diesem Morgen stammte wieder von der Journalistin aus Rom, und obwohl sie eine alte Freundin war, hatte Laurenti keine Lust, mit ihr zu sprechen. Ihre Fragen waren zu tückisch, sie bekam immer heraus, was sie wollte.
»Sie können selbst fahren, dann folgen wir Ihnen, oder sich zu uns in den Wagen setzen, wo wir Sie besser schützen können, Commissario.« Als Proteo Laurenti am Morgen die Treppe zur Straße hinaufgegangen war, erwarteten ihn bereits zwei Beamte in einem BMW mit getönten Scheiben. Hochgewachsene Männer Mitte Dreißig, die trotz der dicken Wolkendecke ihre Sonnenbrillen nicht absetzten. Sie trugen die Hemden lässig über ihren Jeans und verdeckten damit die Pistolen am Gürtel.
»Ich bin Inspektor Sardoč, und das ist Bezzi.« Sie gaben ihm die Hand.
»Und wer beschützt meine Familie?« fragte Laurenti.
Bezzi machte eine Kopfbewegung zu einem zweiten Wagen, der hinter Laurentis Alfa Romeo stand.
»Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie sich an unsere Anweisungen hielten, Commissario«, sagte er. »Dann können wir besser für Ihre Sicherheit garantieren.«
»Ich fahre mit euch«, sagte Laurenti und setzte sich auf den Beifahrersitz, obwohl Bezzi ihm die Tür zum Fond aufhielt. »Ich wollte schon immer einen Chauffeur haben. Wir werden viel Spaß miteinander haben, Signori. Ich hoffe, Sie werden nicht allzulange auf mich aufpassen müssen.«
Der Staatsanwalt hatte also gewonnen. Lange hatten Laura, Marco und Proteo gestern nacht über die Sache gesprochen. Marco tat sich schwer, sich mit den Einschränkungen abzufinden. Immerhin hatte er durchgesetzt, daß er weiter zur Arbeit gehen konnte. Er hatte eine neue Flamme an der Angel und wollte auf keinen Fall von ihr ablassen, eine junge Römerin, die derzeit ein Praktikum in der Küche des »Scabar« absolvierte, um ihren ohnehin schon guten Zeugnissen noch mehr Glanz zu geben. Marco hatte sich verplappert, zuerst von viel Arbeit und der Hochsaison gesprochen, dann aber plötzlich gesagt, daß er sich persönlich um die Neue kümmern müßte. Am Ende hatten sie eine für alle tragbare Vereinbarung getroffen. Laura, die sich ihre Arbeitszeit einteilen konnte, wie sie wollte, weil sie ihr eigener Chef war, würde sich von den Beschützern zusammen mit Marco in die Stadt bringen lassen und abends mit ihrem Mann nach Hause fahren. Proteo war der Meinung, daß die Sache nicht lange dauern würde, nachdem sie so schlagartig explodiert war. Er hatte, ohne es zu ahnen, in ein Wespennest gestochen und mußte verdammt nah an der Lösung eines Falls sein, den er nicht im geringsten durchschaute.
Er erntete anerkennende Blicke, als seine beiden Begleiter vor der Questura hielten und ihn bis zur Tür begleiteten. Mit einer solchen Bedrohung und mit dem überstandenen Attentat auf seine Frau stieg man automatisch im Ansehen der Kollegen. Marietta hatte den Blick einer schwer bekümmerten Mutter aufgesetzt und Pina den einer Hundehalterin, die ihren kleinen Liebling soeben vom Tierarzt nach Hause trug, nachdem er von einem bösen schwarzen Köter gebissen worden war. Laurenti gab ihr das Blatt, das er in der Nacht zusammen mit der erdrosselten Möwe gefunden hatte, und bat sie, es vom Erkennungsdienst untersuchen zu lassen. Sie reichte es Marietta weiter, die es ohne Murren annahm. Offensichtlich hatten sich die Machtverhältnisse gestern abend geändert.
»Die Fingerabdrücke vom Wagen Ihrer Frau sind inzwischen analysiert«, sagte Pina und legte ihm den Ausdruck aus der Kundendatei vor. Laurenti staunte. Sie stammten von einem der beiden Schränke, die ihn auf der Via Carducci in die Mangel genommen hatten. Ein gebürtiger Triestiner mit Wohnsitz in Gorizia, den man im Milieu Coco nannte, und der auch den Kollegen im Nachbarstädtchen kein Unbekannter war. Alte Delikte, die alle mit der damals noch stark überwachten Grenze zu tun hatten. Ein Freund von Ezio, dem Schrotthändler, mit dem er alles ins Land geschmuggelt hatte, was nicht legal importiert werden durfte.
»Immerhin sind wir ein Stück weiter«, sagte Laurenti. »Haben Sie ihn schon?«
»Er ist letzte Nacht nicht nach Hause gekommen. Ich habe mit Sgubin gesprochen, der berichtete, daß unter der angegebenen Adresse nur die Schwester wohnt. Und die sagte, daß Coco seit längerem verreist sei. Sgubin läßt sie beobachten und hat bereits den Antrag auf Überwachung ihres Telefons gestellt. Übrigens sind die beiden Kerle mit ihrem Geländewagen auf der Flucht ein
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