Totentanz
in Urlaub fahren würdest, bis die Sache vorbei ist. Und Marco auch. Er wird heute abend übrigens im Restaurant abgeholt und heimgebracht. Sie haben inzwischen begriffen, daß diese Drohung uns alle betrifft. Aber ich finde, es genügt, wenn ich mich mit dem Begleitschutz abfinden muß. Ihr solltet euch dieser Sache auf keinen Fall aussetzen. Fahrt weg, weit weg.«
Laura starrte ihn fassungslos an. »Proteo«, sagte sie, »glaub bloß nicht, daß ich dich in solch einer Situation alleine lasse. Das kannst du vergessen.«
Er ging in die Küche und bereitete das Muschelsauté zu. Kurz bevor es fertig war, klingelte es zweimal am Gartentor. »Kümmere dich bitte um die Muscheln«, sagte er zu Laura, nahm die Beretta vom Telefontisch und ging zur Terrassentür hinaus. Leise schlich er ums Haus herum und hielt sich im Dunkeln. Da klingelte es noch einmal. Als er endlich das Gartentor durch die Büsche erkannte, sah er eine Gestalt die Treppe hinaufrennen. Er hetzte hinter ihr her, doch bevor er die Straße erreichte, hörte er einen Wagen mit quietschenden Reifen davonfahren. Er schaute sich um. Hier oben war kein Dienstfahrzeug der Kollegen. Vom Meer aus hatten sie die Scheinwerfer auf das Haus gerichtet, doch die Bergseite war unbewacht. Er steckte die Beretta in den Hosenbund und ging zurück. Vor der Haustür lag eine tote Möwe mit einer Schlinge um den Hals, an der ein Zettel hing. Er riß ihn mit spitzen Fingern ab. Erst im Hausflur konnte er ihn entziffern.
»Vergiß Tatjana Drakič. Denk an die Gesundheit deiner Familie.« Ein Computerausdruck, auf dem ganz sicher keine Fingerabdrücke zu finden waren. Und die Bedeutung der erdrosselten Möwe bedurfte keiner weiteren Entschlüsselung.
Es war dreiundzwanzig Uhr, als Laurenti zum Telefon griff und die Nummer seines Büros wählte. Marietta war sofort am Apparat und verband ihn sogleich mit Pina. Noch gab es keine Neuigkeiten, in dieser Nacht aber würden jede Menge Straßensperren erfolgen und Hunderte von Personen nach dem Zufallsprinzip kontrolliert werden. Die Analysen des Erkennungsdienstes lagen noch nicht vor.
»Geben Sie dem Personenschutz Bescheid«, sagte Laurenti zum Schluß. »Ich bin jetzt einverstanden.«
»Was hast du eigentlich bei Serse gemacht?« fragte Laurenti. Sie aßen gerade die gegrillte Corvina. Warum hatte der Künstler eigentlich nichts bemerkt? fragte sich Laura und druckste an einer Ausrede herum, als sie hörten, wie behutsam an der Haustüre hantiert wurde. Laurenti griff nach seiner Pistole und wartete neben der Tür zum Wohnzimmer, die kurz darauf zögerlich geöffnet wurde. Er versetzte ihr einen harten Stoß mit dem Bein und riß den Eindringling herein, im gleichen Moment setzte er ihm die Waffe an die Stirn – und ließ ihn sofort wieder los.
»Spinnst du eigentlich, Papà?« rief Marco mit blassem Gesicht. Er hatte noch immer seine Kochmütze auf dem Kopf und die Kopfhörer seines iPod im Ohr. »Was ist hier eigentlich los?«
»Entschuldige bitte«, sagte Proteo. »Ich bin etwas angespannt. Komm rein.«
»Ich suche mir morgen eine eigene Wohnung«, grummelte Marco. »Ich glaube, du bist komplett durchgeknallt. Zuerst werde ich wie ein Verbrecher im Restaurant von zwei uniformierten Bullen abgeholt, die ihre Karre direkt vor dem Haupteingang des »Scabar« parken, hereinstürmen wie Terminator, meine Chefin fragen, wo ich bin, wie ein Rollkommando in die Küche eindringen und mir befehlen, umgehend mitzukommen. Wie einen Mörder führen sie mich hinaus, setzen mich hinten in den Wagen und fahren mit quietschenden Reifen und eingeschaltetem Blaulicht davon. Acht Kollegen, meine Chefin, vier Kellner und weiß der Teufel wie viele Gäste starren uns nach. Es fehlte nur noch, daß sie mir Handschellen anlegten.« Marco schenkte das Glas seines Vaters nach und leerte es in einem Zug. »Kein Wort darüber, was das ganze Aufheben sollte. Und dann hält mir mein eigener Vater zu Hause auch noch seine Knarre an den Kopf. Mamma, sag was! Mußtest du wirklich solch einen Mann zu meinem Vater machen?«
»Setz dich«, sagte Laura viel strenger als sonst. »Und nimm endlich die Stöpsel aus den Ohren.«
Marco gehorchte widerspruchslos. Er nahm Laurentis Teller und probierte den Fisch. Nach dem zweiten Bissen warf er die Gabel aufs Porzellan. »Kochen kann er auch nicht.«
Angenehme Gesellschaft
Es war ein Tag, an dem Laurenti zuerst die Nummer im Display seines Mobiltelefons ablas, bevor er antwortete oder das Gespräch
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