Totentanz
bißchen zu eng an der Mauer entlanggefahren. Die Lackspuren werden noch untersucht, aber wir gehen bereits davon aus, daß er aus deutscher Produktion stammt. Ich fresse einen Besenstiel, wenn dies nicht der gleiche Wagen ist, der die Babičs in den Abgrund geschickt hat.«
»Leichtsinnig. Ich würde mich sofort des Fahrzeugs entledigen, wenn ich so etwas getan hätte, und nicht noch eine zweite Schweinerei damit unternehmen.«
»Die Medien kennen die ganze Wahrheit nicht. Sie sprechen immer noch von einem Unfall. Und Sie selbst haben doch von den Vorzügen der Grenze gesprochen, hinter der man sich verstecken kann. Die Übergänge sind alle informiert, die slowenischen Kollegen ebenfalls, sie haben unbürokratische Kooperation zugesichert.«
»Und die Rothaarige aus dem Konsulat? Ist sie inzwischen zu sich gekommen?«
»Nein. Und erstaunlicherweise hat bisher noch niemand eine Vermißtenmeldung aufgegeben. Ihr Bild ist heute in der Presse und geht mehrfach durchs Regionalfernsehen. Wir hoffen, daß wir so wenigstens ihre Identität erfahren.«
Pina legte die Zeitung auf den Tisch. Die Schlagzeile und das Foto waren Laura gewidmet. Der Artikel sprach von einer beeindruckenden Demonstration der Qualität der italienischen Autoindustrie, die selbst auf Straßenbahnschienen eine abenteuerliche Talfahrt mit Vollgas nicht zu einem lebensgefährlichen Risiko machte, selbst wenn sie in den Stoßfängen eines Waggons des Tram d’Opicina endete und die Standseilbahn fürs erste unbenutzbar blieb. Allerdings seien die Gründe dieser Flucht besorgniserregend. Denn die Frau eines hohen Polizeibeamten sei nur knapp einem gewalttätigen Überfall entkommen. Der Artikel endete mit der Frage, ob man in Triest ab jetzt nicht mehr so sorgenfrei wie bisher leben könne. Immerhin hatte die Redaktion darauf verzichtet, Lauras Namen oder den seinen zu nennen und auch sonst keine Andeutungen gemacht, aus denen der aufmerksame Leser seine Schlüsse ziehen konnte. Im Polizeibericht sah Laurenti schließlich das Foto der Rothaarigen. Pina sagte, sie hätte es vorher selbst am Computer bearbeitet, denn mit den schweren Verletzungen könnte sie niemand wiedererkennen.
Er sah die Nummer seiner Frau auf dem Display seines Mobiltelefons und bat die Inspektorin um einen Augenblick Geduld.
»Bist du schon im Büro?« fragte Laurenti.
»Ich warte noch auf Marco, er hat wieder einmal verschlafen. Sag, hast du meine Kamera benutzt? Der Memorychip fehlt.«
Laurenti kratzte sich am Kopf und verdrehte die Augen. Zögerlich gab er zu, daß er vergessen hatte, einen neuen zu kaufen.
»Und die Bilder, die drauf waren?« fragte Laura. »Die ganze Woche mit unseren Töchtern? Ich wollte heute davon Abzüge machen lassen. Alles weg?«
»Ich kann nichts dafür, Laura.«
»Da sieht man sie einmal im Jahr und freut sich auf die Erinnerungen daran, und dann muß man feststellen, daß der geschätzte Gatte die Fotos löscht.«
Seine Lieblingstochter Patrizia hatte ein paar Tage in Triest Station gemacht, um sich von der Restaurierung der erotischen Fresken in den Freudenhäusern Pompejis zu erholen. Ihre Schwester Livia war aus München angereist, und mit zwei Freundinnen waren sie schließlich weiter auf die dalmatische Insel Hvar gefahren, um Urlaub zu machen. Nun waren die Bilder weg, da war nichts zu machen. Wie der Speicherchip wirklich abhanden gekommen war, behielt Laurenti lieber für sich.
»Die Konsulin macht enormen Druck«, berichtete Pina weiter. »Sie wird noch heute morgen die Akten zurückbekommen. Ich habe sie überflogen, aber nichts Relevantes entdeckt. Allerdings hat das Konsulat nach meiner Einschätzung kaum etwas zu tun. Fast alles betrifft die beiden Firmen, die sich gegenseitig Rechnungen schreiben und Gutachten ausstellen. Komische Sache. Ich wußte übrigens nicht, daß man mit Aushub solche Geschäfte machen kann. Ein Betrieb aus dem SciencePark hat auch damit zu tun. Alle drei Firmennamen beginnen mit Crea.«
»Wir müssen diese Läden genauer unter die Lupe nehmen. Vielleicht hat die Rothaarige etwas gesucht und gefunden, was uns helfen könnte. Ach« – Proteo Laurenti wühlte hektisch zwischen den Akten auf seinem Schreibtisch – »das ist mir völlig durchgerutscht.«
Endlich fand er die flache Digitalkamera, die er der Verletzten abgenommen hatte. Er hatte sie in der Hektik des Nachmittags vergessen, und sie war schließlich unter dem Papierkram verschwunden, der sich auf seinem Schreibtisch türmte. Laurenti
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