Totentanz
kontrollierte er, ob die Außentüren abgeschlossen waren. Bisher hatte er sich nie darum gekümmert. Wohnungseinbrüche in Triest waren selten, auf der Küstenstraße ständig Streifenwagen der Polizia di Stato, der Carabinieri sowie der Guardia di Finanza unterwegs, und abgesehen davon, scheuten auch Diebe davor zurück, die langen, steilen Treppen zu den Häusern hinab- und beutebeladen wieder hinaufzusteigen.
Doch diesmal war alles anders.
Als Laura im Bad verschwand, suchte er in der Kommode nach der Beretta. In einer Schublade fand er schließlich auch die Magazine mit der Munition. Er hatte die Waffe seit Jahren nicht mehr benutzt, außer zu den vorgeschriebenen Trainingseinheiten auf dem Schießstand, denen selbst er sich nicht entziehen konnte. Zu seiner eigenen Überraschung schnitt Laurenti trotz mangelnder Übung dabei jedesmal besser ab, als er gedacht hatte. Er legte die geladene Waffe neben das Telefon.
»Gibt es vielleicht irgend etwas, das ich wissen sollte?« fragte Laura nervös, als sie nach einer langen heißen Dusche in einen dicken Bademantel gehüllt in den Salon kam, wo Laurenti pausenlos telefoniert hatte. Sie schenkte sich mit zitternder Hand ein Glas Weißwein ein. »An was für einem Fall arbeitest du? Warst du deswegen so besorgt?«
Laurenti legte seinen Arm um ihre Schulter, doch Laura ächzte auf. »Nicht! Mir tut alles weh. Das Schwein hat mich nicht gerade gestreichelt. Also, was hast du mir zu sagen?«
Noch bevor er antworten konnte, vernahmen sie das Stampfen eines Motorboots. Der Lichtkegel eines starken Scheinwerfers fiel auf ihr Haus. Laurenti sprang auf, griff nach der Waffe und rannte zum Fenster. Er riß die Tür zur Terrasse auf und betätigte im gleichen Moment die Notruftaste seines Mobiltelefons. Er suchte Deckung und schilderte in knappen Worten die Situation. Als der Beamte ihn um etwas Geduld bat, fauchte er nur, daß er nicht warten könne und gefälligst zurückgerufen werden wolle. Der Scheinwerferkegel streifte mehrfach über die Fassade, und plötzlich stand Laurenti mitten im Licht. Er warf sich zu Boden, kroch zur Tür hinein und zischte Laura zu, daß sie den Schutz einer Mauer suchen solle. Er rechnete jeden Augenblick damit, daß sie mit einem Kugelhagel überzogen würden. Doch Laura blieb wie gelähmt auf dem Sofa sitzen und starrte ihn nur mit offenem Mund an. Dann glitt der Scheinwerfer noch einmal über die Fassade und durch den Garten vor dem Haus, beleuchtete die Treppe, die zum Meer hinabführte, sowie den Anlieger davor, und schließlich drehte das Boot ab und fuhr langsam wieder aufs offene Meer hinaus.
Als Laurenti sich aufrichtete, klingelte endlich sein Mobiltelefon. Es war der Mann von der Einsatzzentrale, in dessen Stimme Erleichterung mitschwang. »Commissario, das sind unsere. Keine Angst. Ich hoffe, Sie haben sich nicht erschreckt. Die wollten nur sichergehen, daß alles in Ordnung ist.«
»Geben Sie mir Ihren Chef«, schnauzte Laurenti, ohne sich zu bedanken. Wenig später hörte Laura, wie er mit lauter Stimme sagte, er verbitte sich solche Scherze und dulde ohne Zustimmung keine Überwachung. Dann schloß er die Terrassentür, legte die Waffe zurück und setzte sich neben Laura. »Hab keine Angst«, sagte er. »Das waren die Kollegen. Sie werfen ein Auge auf uns.«
Er ging in die Küche, doch bevor er die Gasflamme anzünden konnte, rief Laura: »Und warum hast du gesagt, sie sollen verschwinden? Was zum Teufel geht hier vor, Laurenti?« Immer wenn sie wütend war, nannte sie ihn beim Nachnamen.
Proteo rieb sich die Hände, als könnte er damit die Tatsachen zerquetschen, über die zu reden ihm unbequem war. »Eine alte Sache, Laura. Ich erzähle es dir später. Hast du keinen Hunger? Ich mache uns etwas zu essen.«
»Ich krieg keinen Bissen runter, Laurenti. Ich will endlich wissen, was los ist. Raus mit der Sprache.« Ihr Glas knallte keinen halben Meter neben ihm gegen die Wand.
»Ist ja gut«, versuchte er sie zu beschwichtigen. »Ich hatte nicht damit gerechnet, daß sie so schnell sind. Vor ein paar Stunden erst wurde ich vom Staatsanwalt gewarnt.« Er versuchte so behutsam wie möglich die Fakten zu schildern und sammelte dabei die Glasscherben auf. Schließlich setzte er sich doch in den Sessel Laura gegenüber. Er wollte sie nicht unnötig beunruhigen, doch herunterspielen konnte er die Sache jetzt nicht mehr. »Ich bin froh, daß unsere Töchter wenigstens aus der Schußlinie sind. Vermutlich wäre es besser, wenn du
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