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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Laurenti«, sagte sie matt. »Er soll sich beeilen. Und holen Sie meine Handtasche aus dem Wagen, bevor sie jemand an sich nimmt. Sagen Sie Laurenti, daß er sein blaues Wunder erleben wird, wenn er nicht in fünf Minuten hier ist.«
    *
    »Was hat der gesagt?« Laurenti raufte sich die Haare. Er raste mit wütendem Schritt durchs Zimmer. Noch immer konnte er nicht fassen, daß seine Frau nur knapp einer Vergewaltigung entkommen war.
    Laura hatte sich inzwischen gefangen, auch ohne das Beruhigungsmittel, das ihr der Arzt in die Hand gedrückt hatte. Neben dem Schrecken war sie mit ein paar Prellungen und einer Schürfwunde davongekommen. »Er blies mir seinen stinkenden Atem ins Gesicht, daß ich kotzen wollte, und sagte: ›Das hast du alles dem Kommissar zu verdanken.‹ Welchen Kommissar meint er nur? Wie viele sind hier anwesend? Und mit wem bin ich verheiratet? Was geht hier vor?«
    Als der Anruf kam, war Laurenti gerade dabeigewesen, das Abendessen zuzubereiten. Er hatte in Santa Croce kurz bei Emiliano in der »Osteria Il Pettirosso« haltgemacht und ihm eine schöne Corvina sowie ein Kilo Vongole und Canestrelli aus der Lagune von Grado abgeschwatzt. Er hatte den Tisch gedeckt, die Muscheln gewässert sowie Petersilie, Knoblauch und etwas Peperoncino kleingehackt. Das Sauté wäre ruckzuck zubereitet, wenn Laura nach Hause käme, und den Fisch wollte er zusammen mit Zucchini, die er in dünne Streifen geschnitten hatte, einfach auf den Grill geben. Nur Laura kam und kam nicht.
    Und dann klingelte sein Telefon. Eine aufgeregte Stimme aus der Zentrale teilte ihm mit, daß seiner Frau etwas Schlimmes zugestoßen sei.
    Mit heulender Sirene war er über die Küstenstraße in die Stadt zurückgerast und hatte auf dem Lungomare vor Barcola sogar den Streifenwagen überholt, der mit ihm Funkkontakt aufgenommen hatte und ab der Kreuzung beim Castello Miramare für freie Fahrt sorgen sollte. Laura umklammerte ihn zitternd, als Laurenti endlich die Tür des Polizeiautos aufriß. Eine uniformierte Beamtin hatte versucht, ihre Schilderungen, die sie hektisch und verworren formulierte, zu notieren.
    Inspektorin Pina Cardareto war sofort, als die Durchsage kam, mit ihrem Fahrrad in die Via Commerciale gestrampelt und koordinierte den Einsatz. Die Blaulichter leuchteten die Fassaden der Häuser bis in die obersten Stockwerke aus. Vier Polizisten waren entlang der Schienen die Steigung hinaufgerannt, und weitere Streifenwagen hatten die Via Virgilio und die Via Romagna blockiert, die einzigen Straßen, die vom Tatort wegführten. Eine andere Besatzung stolperte von oben die Bahnschwellen herunter. Doch der Mann, von dem Laura gesprochen hatte, war spurlos verschwunden. An ihrer Aussage gab es keinen Zweifel, Fahrgäste hatten ihn neben die Schienen fallen sehen und die Stelle genau beschrieben. Die Polizisten leuchteten mit Stablampen die Strecke aus, fanden aber lediglich einen Herrenschuh. Schwarzes Leder, Größe 45, ungepflegt und abgetragen. Sie steckten ihn in einen transparenten Plastikbeutel, schrieben Datum und Fundort darauf und zeigten ihn der kleinen Vorgesetzten. Pina Cardareto wies an, daß er umgehend ins Labor gebracht und noch heute nacht untersucht werden sollte. Dann wurde der Kranwagen der Feuerwehr durchgewinkt, der wenig später den Fiat aus den Gleisen hob und ihn zur Pritsche eines Abschleppwagens schwenkte. Auch in diesem Fall gab Pina mit scharfer Stimme unmißverständliche Anweisungen. In drei Stunden wollte sie die Analyse der Fingerabdrücke und aller anderen Spuren auf ihrem Schreibtisch vorfinden. Laura blieb einen Augenblick stehen, als Laurenti sie zu seinem Wagen führte, und schaute zu, wie der Schrotthaufen durch die Luft schwebte und eine dicke Ölspur hinter sich herzog.
    »Er hatte noch keine zweitausend Kilometer«, seufzte sie und legte den Kopf an Laurentis Schulter.
    »Ein gutes Auto«, sagte der Kommissar. »Fährt sogar auf Schienen. Zumindest abwärts.«
    »Und was mach ich jetzt?«
    »Wir kaufen einen neuen.« Laurenti hielt ihr die Wagentür auf und schob sie behutsam auf den Sitz. Bevor er einstieg, hörte er Pina Cardareto mit Marietta telefonieren. Mit ungewöhnlich sanfter Stimme gab sie seiner Assistentin die Anweisung, umgehend ins Büro zu kommen und dort auf sie zu warten.
    Als sie die Treppen zum Haus an der Steilküste hinabstiegen, schaute Laura ängstlich um sich, und selbst Laurenti warf mehr als einmal einen Blick über die Schulter. Zum erstenmal seit Jahren

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