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Totentöchter - Die dritte Generation

Totentöchter - Die dritte Generation

Titel: Totentöchter - Die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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aus Büschen entlanggehen. Doch dieses Mal lassen wir den Pavillon hinter uns. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, was dem Ort etwas Verschlafenes gibt, eine gedämpfte Atmosphäre.
    Linden zeigt mir einen der Springbrunnen, der in
einen Teich plätschert. Darin schwimmen lange, dicke Fische in Weiß, Orange und Rot. »Koi Karpfen«, erklärt er mir. »Sie stammen ursprünglich aus Japan. Schon mal davon gehört?«
    Erdkunde ist so ein unbedeutendes Fach geworden, dass ich in meiner kurzen Schulzeit vor dem Tod meiner Eltern nie darin unterrichtet worden bin. Unser Unterricht wurde in einer ehemaligen Kirche abgehalten und auch bei Anwesenheit sämtlicher Schüler war die erste Kirchenbank nicht mal ganz gefüllt. Hauptsächlich wurden Kinder von Erstgenerationern unterrichtet, wie mein Bruder und ich, die dazu erzogen waren, Bildung zu schätzen, obwohl wir ohne die Chance, sie zu nutzen, sterben würden. Die Schule hat auch ein oder zwei Waisen aufgenommen, die davon träumten, Schauspieler zu werden. Sie wollten gut genug lesen können, um einmal ihre Rollen auswendig lernen zu können. Unsere Erdkundekenntnisse beschränkten sich darauf, dass die Welt aus sieben Kontinenten und diversen Ländern bestanden hatte. Doch die waren durch den Dritten Weltkrieg zerstört worden – bis auf Nordamerika, der Kontinent mit der am weitesten fortgeschrittenen Technologie. Die Ausmaße des Schadens waren so katastrophal, dass vom Rest der Welt nur Ozeane und unbewohnbare Inseln übrig blieben, so klein, dass sie vom Weltraum aus überhaupt nicht zu sehen sind.
    Mein Vater war allerdings begeistert von der Welt. Er besaß einen Atlas, der die Welt so zeigte, wie sie zu Anfang des 21. Jahrhunderts war, mit farbigen Abbildungen von allen Ländern und Gebräuchen. Japan war eines meiner Lieblingsländer. Die Geishas mit den wie mit Buntstift bemalten Gesichtern und gespitzten Lippen gefielen
mir sehr. Ich mochte die rosa und weiß blühenden Kirschbäume, die so gar nichts mit den dürftigen Dingern gemein hatten, die an den Bürgersteigen von Manhattan wuchsen. Das ganze Land Japan schien ein einziges riesenhaftes Farbfoto zu sein, so bunt und leuchtend. Meinem Bruder gefiel Afrika besser – mit den schlappohrigen Elefanten und den farbenfrohen Vögeln.
    Ich stellte mir oft vor, wie schön die Welt außerhalb von Nordamerika gewesen sein musste. Und es war mein Vater, der mir diese Schönheit nahegebracht hatte. Noch immer denke ich an diese lange verschwundenen Orte. Ein Koi schwimmt an mir vorbei und verschwindet in der Tiefe. Mein einziger Gedanke ist, wie glücklich mein Vater gewesen wäre, wenn er das gesehen hätte.
    Der Kummer über den Verlust meines Vaters überkommt mich so plötzlich, dass meine Knie beinah unter dieser Last zusammenbrechen. Ich zwinge mich, die Tränen herunterzuschlucken, an dem Kloß vorbei, der sich in meinem Hals gebildet hat. »Ich habe davon gehört«, sage ich nur.
    Linden wirkt beeindruckt. Er lächelt mich an und hebt die Hand, als wolle er mich berühren, dann jedoch besinnt er sich anders und geht weiter. Wir kommen zu einer hölzernen Schaukel in Herzform. Dort sitzen wir eine Weile, ohne einander zu berühren, schaukeln ein wenig vor und zurück und starren über die Rosenhecken hinweg zum Horizont. Langsam erscheinen Farben, Tupfer von Orange und Gelb, wie von Deidres Puderquaste. Die Sterne sind noch immer zu sehen, aber sie verblassen, wo sich der Himmel glühend rot färbt.
    »Schau«, sagt Linden. »Schau, wie wunderschön.«

    »Der Sonnenaufgang?«, frage ich.
    Er ist schön, aber doch kaum wert, deswegen so früh das Bett zu verlassen. Ich bin es gewohnt, in kurzen Schichten zu schlafen und mich beim Wachehalten mit meinem Bruder abzuwechseln. Mein Körper ist darauf trainiert, nichts von dem Schlaf zu verschwenden, den er kriegen kann.
    »Der Anfang eines neuen Tages«, sagt Linden. »Gesund genug zu sein, um ihn zu erleben.«
    Ich sehe die Traurigkeit in seinen grünen Augen. Aber ich traue ihr nicht. Wie kann ich das, da er der Mann ist, der die Sammler bezahlt hat, damit er mich für die letzten Jahre meines Lebens haben kann. Da das Blut dieser anderen Mädchen an seinen Händen klebt? Die Zahl meiner Sonnenaufgänge mag begrenzt sein, aber ich will nicht alle, die mir noch bleiben, als Linden Ashbys Ehefrau erleben.
    Eine Weile ist es still. Lindens Gesicht wird von der aufgehenden Sonne angestrahlt und mein Ehering glüht in einem Lichtstrahl auf. Wie ich das Ding

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