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Totentöchter - Die dritte Generation

Totentöchter - Die dritte Generation

Titel: Totentöchter - Die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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nur um sich zu amüsieren. Die Tasten funktionieren nicht, wenn man nicht eine von Hunderten Hologrammscheiben in das Keyboard einlegt, die die Musik begleiten: rauschende Flüsse, ein Himmel voller glitzernder Glühwürmchen, leuchtende Regenbogen. Ich habe sie noch nie dasselbe Hologramm zweimal benutzen sehen und doch scheint sie die Bilder kaum zu beachten.
    Im Wohnzimmer herrscht kein Mangel an Illusionen. Das Fernsehen kann auf Knopfdruck eine Skipiste, eine Eislaufbahn oder eine Rennbahn simulieren. Es gibt Fernbedienungen, Lenkräder, Skis und eine ganze Auswahl an Geräten als Ersatz für die wirkliche Welt. Ich frage mich, ob mein neuer Ehemann wohl so aufgewachsen ist – gefangen in diesem weitläufigen Anwesen, nur mit Illusionen, die ihn etwas über die Welt lehren. Einmal, als ich allein war, habe ich mich im Angeln versucht, und anders als in der Wirklichkeit war ich ganz hervorragend darin.
    In meiner Fülle an Zeit habe ich die Frauenetage mehrmals auf ganzer Länge durchwandert, von Roses Zimmer
am einen Ende des Korridors bis zur Bibliothek am anderen. Ich habe die Luftschächte inspiziert, die mit Bolzen an der Decke verankert sind, und die Wäscherutschen, die zu klein sind für alles, was über eine geringe Ladung Schmutzwäsche hinausgeht. Keines der Fenster lässt sich auch nur einen Spaltbreit öffnen, mit Ausnahme des Fensters in Roses Zimmer, das immer von ihr belegt ist.
    Der Kamin in der Bibliothek ist eine komplette Attrappe mit einem Flammenhologramm, das knisternde Geräusche produziert, jedoch keine Wärme spendet. Es gibt keinen Schornstein, keinen Weg für die Luft, den Himmel zu erreichen.
    Und es gibt kein Treppenhaus. Nicht mal einen verschlossenen Notausgang. Ich habe die Wände abgetastet, hinter Bücherregale und unter Möbel gespäht. Ich frage mich, ob die Etage der Ehefrauen der einzige Teil des Hauses ohne Treppenhaus ist und ob Lindens Bräute im Falle eines Feuers hier verkohlen würden. Schließlich sind wir leicht zu ersetzen. Auf das Leben der anderen Mädchen in diesem Lastwagen hat er auch keinen weiteren Gedanken verschwendet.
    Aber das ergibt keinen Sinn. Was ist mit Rose, die Linden so wahnsinnig liebt? Ist ihm ihr Leben nicht etwas mehr wert? Vielleicht nicht. Vielleicht sind sogar Erste Frauen, Lieblingsfrauen, austauschbar.
    Ich versuche, den Fahrstuhl zu öffnen, aber ohne Karte funktioniert bei mir keiner der Knöpfe. Ich stelle mir vor, ein Feuer wäre ausgebrochen, stelle mir vor, mein Leben hinge von einer sofortigen Flucht ab, und versuche, die Kabine mit den Fingern aufzudrücken, dann mit der Schuhspitze. Die Tür bewegt sich keinen Millimeter.

    Ich durchsuche mein Zimmer nach einem Werkzeug, das ich zu Hilfe nehmen kann, und finde einen Regenschirm in meinem Wandschrank. Mit dem probiere ich es. Es gelingt mir, die Spitze zwischen die Metalltüren zu schieben, und sie öffnen sich ein kleines Stück, gerade weit genug, um den Schuh in den Spalt zu stecken. Und dann – voller Erfolg! – gleitet die Tür auf.
    Augenblicklich dringt abgestandene Luft aus dem Fahrstuhlschacht und Dunkelheit, die noch dichter wird, wenn man nach oben oder unten schaut. Ich sehe mir die Kabel genau an, kann aber nicht sagen, wo sie anfangen oder enden. Ich weiß nicht, wie viele Stockwerke über oder unter mir liegen. Ich strecke die Hand nach einem Kabel aus und packe es mit festem Griff. Ich könnte versuchen, daran hochzuklettern, oder mich einfach daran festhalten und bis ganz nach unten rutschen. Wenn ich auch nur ein Stockwerk nach unten gelange, finde ich dort vielleicht ein offenes Fenster oder ein Treppenhaus.
    Das Wort vielleicht lässt mich zögern. Denn vielleicht gelingt es mir nicht, die Tür von innen zu öffnen. Ich werde vielleicht zerquetscht, wenn der Fahrstuhl kommt, ehe mir die Flucht gelingt.
    »Selbstmordgedanken?«, fragt Rose.
    Ich zucke zusammen, ziehe meinen Arm aus dem Fahrstuhlschacht. Meine Schwesterfrau steht ein paar Meter entfernt mit verschränkten Armen in ihrem dünnen Nachthemd. Ihr Haar ist zerzaust, ihre Haut blass, ihr Mund unnatürlich bonbonrot – und sie lächelt.
    »Schon gut«, sagt sie. »Ich verpetze dich nicht. Ich verstehe das.«
    Die Fahrstuhltür schließt sich. Ohne mich.

    »Tust du das?«, frage ich.
    »Hm«, sagt sie und zeigt auf meinen Regenschirm. Ich gebe ihn ihr und sie lässt ihn aufspringen und einmal über ihrem Kopf herumwirbeln. »Wo hast du den gefunden?«, fragt sie.
    »In meinem

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