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Totentöchter - Die dritte Generation

Totentöchter - Die dritte Generation

Titel: Totentöchter - Die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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bereit, zu schneiden. Gerade als der Schmerz sich meldet, platzt ein Geräusch in meine Träume. »Rhine«, sagt die Stimme.
    »Rhine.«
    Ich mache die Augen auf, keuche. Mein Herz hämmert in der Brust, und sofort berste ich vor Leben, das ich in meinem Albtraum nicht hatte. In der Dunkelheit des frühen Morgens kann ich Gabriels blaue Augen erkennen. Ich sage seinen Namen, um meine Stimme zu testen und um mich zu versichern, dass er wirklich da ist. Ich kann den silbernen Schimmer des Frühstückstabletts auf meinem Nachttisch sehen.
    »Du hast um dich geschlagen«, flüstert er. »Was war los?«
    »Der Keller«, flüstere ich zurück. Ich fahre mir mit dem Handballen über die Stirn und er wird ganz feucht vor Schweiß. »Ich war gefangen, ich konnte nicht raus.« Ich setze mich auf und mache die Lampe ein. Das Licht ist zu hell, ich schütze meine Augen und blinzele wie verrückt, dann sehe ich Gabriel auf meiner Bettkante sitzen, wo Stunden zuvor Jenna gesessen und mir von ihrem eigenen Albtraum erzählt hat.
    »Das war ein furchtbarer Anblick«, bestätigt Gabriel.
    »Aber du hast schon Schlimmeres gesehen«, sage ich. Das ist keine Frage.
    Er nickt, seine Miene verfinstert sich.

    »Was denn?«, frage ich.
    »Lady Rose hatte ein Baby«, sagt er. »Vor über einem Jahr. Es hat nicht überlebt. Von der Nabelschnur erwürgt, glaube ich. Der Hauswalter und Lady Rose haben die Asche im Orangenhain verstreut, aber ich frage mich, ob das wirklich die Asche des Babys war. Überhaupt, wenn hier Leute sterben, frage ich mich immer, was mit ihnen geschieht. Ich habe nie so etwas wie einen Friedhof gesehen, entweder Asche oder sie verschwinden einfach.«
    Rose hatte ein Kind. Das habe ich nicht gewusst. Es – oder etwas anderes – liegt zwischen den Orangenblüten verstreut.
    »Gabriel?« In meiner Stimme liegt echte Furcht. »Ich will hier raus.«
    »Ich bin seit neun Jahren hier«, sagt er. »Das ist mein halbes Leben. Meistens erinnere ich mich nicht mal mehr daran, dass es noch eine andere Welt als diese gibt.«
    »Also, es gibt sie«, sage ich. »Da ist das Meer und da sind Schiffe, die aus dem Hafen auslaufen, und Leute, die auf den Gehwegen joggen, und Straßenlaternen, die abends angehen. Es gibt Friedhöfe mit Namen auf den Grabsteinen. Das ist die echte Welt. Diese hier nicht.«
    Aber ich verstehe, was er meint. In letzter Zeit vergesse ich all diese Dinge beinah selbst schon.
     
    Die Party findet wie versprochen im Orangenhain statt. Cecily verbringt den Nachmittag damit, die arme Elle mit Änderungen an ihrem Kleid und Make-up auf Trab zu halten. Ihr Haar wird gestylt, gewaschen, noch mal gestylt und dann wird das Ganze wiederholt. Nach jedem Versuch ruft sie mich und ich muss mir das Ergebnis
ansehen. Mit sämtlichen Frisuren sieht sie hübsch aus, aber jung. Ein Kind in den zu großen, hochhackigen Schuhen seiner Mutter, das erwachsen aussehen will.
    Für mich hat Deidre ein fließendes orangefarbenes Kleid gemacht, in dem ich – wie sie sagt – im Abendlicht hinreißend aussehen werde. Mein Haar, lang, wellig und mit vielen Blondtönen, lässt sie unangetastet. Sie spricht es nicht aus, aber als sie neben mir vor dem Spiegel steht, weiß ich, dass sie denkt, ich sehe aus wie Rose. Und Linden wird bei meinem Anblick vermutlich gar nicht mich sehen, sondern lediglich eine Reinkarnation des Mädchens, das er verloren hat. Ich kann nur hoffen, damit seine Gunst zu gewinnen.
    Am frühen Abend treffen wir im Orangenhain ein. Selbst mit der dort aufgebauten Bühne und der Band, die ihre Instrumente stimmt, und den vielen Leuten, denen ich noch nie begegnet bin, erkenne ich, dass dieser Ort anders ist als der Rest des Anwesens. Er ist verwildert, die Grashalme sind unterschiedlich lang, zum Teil höher als meine unbequemen Schuhe oder meine Knie. Das Gras greift wie dünne, gummiartige Finger unter mein Kleid. Ameisen krabbeln auf den Rändern kristallener Gläser und bilden Straßen die Bäume hinauf. Das ganze Grün summt und raschelt.
    Die meisten Gesichter hier kenne ich nicht. Einige sind Diener, die Wärmeplatten für das Essen bereitstellen oder die Papierlaternen arrangieren. Andere sind gut gekleidet, aufpoliert bis zur Grenze des Fettglänzenden, alles Erstgenerationer.
    »Das sind Hausprinzipal Vaughns Kollegen«, flüstert Deidre mir zu, die auf einem Klappstuhl steht und den
Träger meines BHs anpasst, damit er mir nicht mehr auf den Arm herunterrutscht. »Der Hauswalter hat keine eigenen

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