Totentöchter - Die dritte Generation
ich Tränen über ihr Gesicht strömen sehe, und schließlich fahre ich Vaughn an: »Kannst du denn nicht mehr gegen ihre Schmerzen tun?« Schließlich ist er das Genie, der Experte in Sachen Mensch, der künftige Überbringer des die Welt rettenden Gegenmittels.
Sein Blick begegnet meinem ganz sachlich. »Nicht nötig.«
Die Diener legen Cecilys Beine hoch auf seltsame Dinger, die aussehen wie Fahrradpedale. Ich glaube, man nennt sie Steigbügel.
Vaughn beugt sich zu ihr, er küsst Cecily auf die verschwitzte Stirn und sagt: »Du hast es fast geschafft, mein Liebling, du machst das wunderbar.«
Sie lächelt matt.
Jenna sitzt auf dem Diwan in der Ecke und sieht blass aus. Vor einer Weile hat sie Cecily noch das verschwitzte Haar zurückgebunden, aber seitdem hat sie nicht viel gesprochen. Ich will zu ihr gehen, neben ihr sitzen, sie trösten und von ihr getröstet werden, aber Cecily will mich nicht aus ihrer tödlichen Umklammerung entlassen. Und bald, zu bald, befiehlt Vaughn ihr, zu pressen.
Man muss ihr zugutehalten, dass sie aufgehört hat, sich über die Schmerzen zu beklagen. Ans Kopfteil des
Bettes gelehnt, sitzt sie aufrecht da und eine neue Entschlossenheit erscheint auf ihrem Gesicht. Sie ist so weit. Sie wird die Kontrolle übernehmen.
Als sie presst, treten die Adern an ihrem Hals hervor. Ihre Haut ist so rot wie bei einem Sonnenbrand. Sie beißt die Zähne zusammen und umklammert Lindens und meine Hand. Ein langes, angestrengtes Wimmern verfängt sich in ihrer Kehle und entkommt als sprudelndes Keuchen. Das passiert einmal, dann wieder und wieder, mit ein paar Sekunden Abstand, in denen sie Luft holen kann. Langsam wird sie ungeduldig, und Vaughn sagt ihr, das nächste Mal werde das letzte Mal sein.
Es stellt sich heraus, dass er recht hat. Sie presst und mit einem grauenhaften Schmatzen kommt das Baby aus ihr heraus. Doch schlimmer noch ist die Stille, die darauf folgt.
Wir warten und warten. Ich will wegschauen und ich glaube, Linden auch, als dieser weiße Säugling, blutig und reglos, von einem der Diener hochgehalten wird, aber wir sind wie erstarrt. Wir alle sind wie erstarrt. Jenna auf dem Diwan. Cecily an unsere Hände geklammert. Die Diener wie eine schlafende Viehherde.
Mir bleibt kaum Zeit für den Gedanken, dass Vaughn dieses Baby ebenso sterben lassen wird wie sein letztes Enkelkind, da tritt er in Aktion. Er nimmt sein neues Enkelkind und steckt ihm eine Art Bratenspritze in den Mund. Eine Sekunde später ertönt ein schriller Schrei im Raum und die Glieder des Babys beginnen zu zappeln. Cecily sinkt in sich zusammen.
»Herzlichen Glückwunsch«, sagt Vaughn, der das sich windende Kind in seinen behandschuhten Händen hochhält. »Ihr habt einen Sohn.«
Mit einem Mal kommt Bewegung in die Menge und Geräusche füllen den Raum. Das Baby, das immer noch schreit, wird zum Säubern und Untersuchen weggebracht. Linden hält Cecilys Gesicht ganz nah vor seines. Leise und rasch reden sie miteinander und küssen sich zwischen den Worten.
Ich lasse mich neben Jenna auf den Diwan fallen. Wir
legen die Arme umeinander und ich flüstere: »Gott sei Dank, es ist vorbei.«
»Vielleicht auch nicht«, sagt Jenna.
Wir sehen zu, wie die Diener Cecily versorgen. Sie hat die Nachgeburt ausgestoßen, blutet immer noch und ist beunruhigend blass. Sie wird auf eine Bahre gelegt und sofort bin ich an ihrer Seite. Dieses Mal klammere ich mich an ihre Hand und sage: »Ich gehe mit ihr.«
»Was?« Vaughn lacht. »Nein, sie geht nirgendwohin. Diese Schweinerei muss nur weggemacht werden.«
Die Diener sind schon dabei, die Laken abzuziehen. Vaughn leitet sie an und sagt: »Nein, das nützt nichts. Die ganze Matratze ist ruiniert.«
»Wo ist mein Baby?«, flüstert Cecily. Ihre Augen sind glasig, ihr Blick entrückt. Tränen und Schweiß laufen ihr übers Gesicht. Der Atem rasselt in ihrer Brust.
»Wir werden ihn bald sehen, Liebe«, sagt Linden und küsst sie.
Einen Moment lang sieht sie gar nicht aus wie ein Kind. Wenn ich keinen von beiden kennen würde, könnte ich fast glauben, sie wären normale Eltern in einem normalen Krankenhaus unter normalen Bedingungen.
Aber natürlich gibt es so was wie normal nicht mehr. Jede Aussicht auf normal ist vor langer Zeit zerstört worden – wie das Forschungslabor mit meinen Eltern darin.
Cecily wirkt so schwach und erschöpft. Alle Farbe ist aus ihrem Gesicht gewichen und andere Sorgen machen sich breit. Was ist, wenn sie zu viel Blut verliert? Was,
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