Totentöchter - Die dritte Generation
wenn sie eine Infektion bekommt? Und was, wenn die Geburt zu traumatisch für ihre zarte Gestalt war und es
Komplikationen gibt? Ich wünschte, Vaughn würde sie in ein Krankenhaus bringen, auch wenn es sein eigenes Krankenhaus in der Stadt wäre. Irgendwohin, wo alles lichtdurchflutet ist und von Ärzten wimmelt.
Nichts von dem spreche ich laut aus. Ich weiß, es hätte keinen Zweck. Vaughn ließe uns nie weg von hier und allein der Vorschlag könnte Cecily Angst machen. Also streiche ich ihr das Haar aus dem verschwitzten Gesicht und sage: »Du solltest dich jetzt ausruhen. Das hast du dir wirklich verdient.«
»Du hast es dir verdient, Liebe«, wiederholt Linden. Er küsst ihre Hand und presst sie an seine Wange. Auf ihren Lippen liegt die Andeutung eines Lächelns, als sie in die Bewusstlosigkeit hinübergleitet.
In dieser Nacht schläft Cecily tief und ohne zu schnarchen. Da ich an meine Begegnung mit Vaughn nach dem Hurrikan denke, als ich zu schwach war, mich zu wehren, sehe ich in regelmäßigen Abständen nach ihr. Sie regt sich kaum, und ich bin erleichtert, dass Linden treu an ihrer Seite sitzt.
Jenna geht ins Bett, noch bevor das Abendessen serviert wird. Aber Vaughn kommt andauernd unter dem Vorwand auf unsere Etage, nach der Mutter seines neuen Enkels sehen zu wollen. Und es ist sonnenklar, dass es mir in nächster Zeit nicht gelingen wird, in den Keller zu kommen. Es ist zu riskant und ich habe die Schlüsselkarte gerade erst bekommen. Ich will nicht, dass sie mir wieder weggenommen wird. Ich versuche mich mit dem Gedanken zu trösten, dass mit Gabriel alles in Ordnung ist. Schließlich hat er es geschafft, mir diese Junibeere zukommen zu lassen. Vielleicht weiß Vaughn nichts von
diesem Kuss. Vielleicht hat er Gabriel nur die Aufgabe übertragen, medizinisches Gerät zu reinigen oder die Fußböden zu wischen. Trotzdem dreht es mir den Magen um, wenn ich an ihn so allein in diesem fensterlosen Keller denke. Und dazu kommt noch, dass ich das Baby nicht wiedergesehen habe, seit es weggerollt wurde. Jedes Mal wenn ich Vaughns eintönige Stimme vor meinem Zimmer höre, denke ich, dass er sagen wird, es hat nicht überlebt.
Gabriel, bitte pass auf das Baby auf, wenn du es da unten siehst, okay?
Irgendwann nach Mitternacht, als ich mit einer Tasse Earl Grey in den Händen den Schnee draußen beobachte, kommt Linden in mein Zimmer. Seine Augen und Wangen leuchten und er grinst wie verrückt. »Ich habe ihn gerade besucht«, sagt er, »meinen Sohn. Er ist wunderschön. Er ist kräftig und er ist gesund.«
»Ich freu mich so für dich, Linden«, sage ich. Und das meine ich auch so.
»Wie geht es dir?«, fragt er, zieht die Ottomane zu mir herüber und nimmt Platz. »Hast du genug zu essen bekommen? Brauchst du was – irgendwas?«
Im Moment ist er überglücklich und deshalb fühle ich mich auch ein bisschen besser, das gebe ich zu. Es ist, als würde wirklich alles gut werden.
Ich lächele, schüttele den Kopf, schaue aus dem Fenster. »Vollmond«, sage ich.
»Der muss wohl Glück bringen.« Er streckt den Arm aus und berührt eine Strähne meines Haares. Dann setzt er sich neben mich aufs Fensterbrett, und ich ziehe die Beine an die Brust, um ihm Platz zu machen. Er lächelt
mich an, und ich spüre, wie er näher kommt. Sanft schiebt er meine Beine zwischen uns weg und meine Füße landen auf dem Boden. Er hebt mein Kinn und küsst mich.
Ich lasse es zu, weil ich Erste Ehefrau bin – die Schlüsselkarte macht das so offiziell, wie es nur geht – und weil ich ihm versprochen habe, eine bessere Ehefrau zu sein, und er Verdacht schöpfen könnte, wenn ich ihn wegstoße. Und weil es in Wahrheit nicht die übelste Sache der Welt ist, Linden Ashby zu küssen.
Der Kuss dauert eine Weile an, dann fühle ich, wie seine Finger beginnen, mein Nachthemd aufzuknöpfen, und ich weiche zurück.
»Was ist denn?«, fragt er, seine Stimme so verträumt wie sein Blick.
»Linden«, sage ich, werde rot, schließe den Knopf wieder, den er öffnen konnte. Eine passende Erklärung fällt mir nicht ein, deshalb schaue ich den Mond an.
»Ist es, weil die Tür offen steht?«, fragt er. »Ich schließe sie.«
»Nein«, sage ich. »Die Tür ist es nicht.«
»Was dann?« Wieder hebt er mein Kinn und zögernd richte ich den Blick auf ihn. »Ich liebe dich«, sagt er. »Ich möchte ein Baby mit dir haben.«
»Jetzt?«, frage ich.
»Ja. Bald. Wir haben nur so eine kurze gemeinsame Zeit«, sagt er.
Kürzer als du
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