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Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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waren.
    Es waren schwarze Schnürstiefel aus Büffelleder mit einem weißen Blitz anstelle eines Einhornponys an der Seite.
    Doch seinen einmal erworbenen Ruf wurde der kleine Gurli nicht wieder los.
    Überallhin verfolgten ihn Norgul und sein Anhang mit ihrem »Bolgur ein Mädchen ist«, und beim Keulenkloppen musste ihn der Sportlehrer als Einzigen einer Mannschaft zuweisen, weil ihn sonst keiner freiwillig gewählt hätte.
    Bald darauf erhielt seine Mutter an einer weiter entfernten Universität einen Lehrauftrag, die Familie zog um, und Bolgur kam auf eine neue Schule.
    Und das war die Geschichte von Bolgur und den roten Schuhen.
    Vielleicht auf den ersten Blick nicht ganz so tragisch wie die Jugenderlebnisse von Falfnin, Brom und Selphyne, doch man sollte die Verletzlichkeit einer zarten und sensiblen Barbarenogerbubenseele keinesfalls unterschätzen.
    An allen Ecken führten Gaukler ihre Tricks auf, jonglierten mit Fackeln, erzählten, begleitet von Drehorgelgeleier, unterhaltsam blutrünstige Moritaten oder ließen ihre bezaubernden Assistentinnen durch pure Magie verschwinden (während ihre Helfershelfer dasselbe mit den Geldbörsen der Zuschauer taten).
    Selbst die armseligste Kaschemme war zum Bersten voll mit krakeelenden, raufenden und saufenden Feiernden, und mancher Wirt erzielte an diesen drei Abenden gute neunzig Prozent seines Jahresumsatzes – Reparaturkosten für zerschlagene Inneneinrichtungen mit eingerechnet.
    Abseits, in dunklen Gassen und Hinterhöfen, boten zwielichtige Gestalten ihren experimentierfreudigen Kunden ganz spezielle Pülverchen, Pillen und Tinkturen an, die geeignet waren, die Türen der Wahrnehmung für ein paar selige Stunden ganz weit aufzustoßen, um sie eventuell im nächsten Augenblick endgültig und mit einem allerletzten Krachen zuzuwerfen: Koboldianische Extasebrocken, halluzinogene Hirnbovistsporen oder bläulich schimmernde Phretanimkristalle (angeblich von Eisenberg persönlich gekocht, dem legendären zwergischen Phretanimkoch).
    Wenn man Glück hatte, war das Zeug, das man sich gerade in die Stirnhöhlen zog, nur mit Rattengift gestreckt.
    In den Garküchen zischte und brutzelte es fettig, und dunstig-würzige Schwaden stiegen auf, die den Hungrigen ein ebenso extravagantes wie gesundheitsschädliches Geschmackserlebnis versprachen. Die Gesundheitsbeamten von Verderbnis waren für ihre lockere Berufsauffassung bekannt: Gegen eine kleine Unkostenpauschale zeigten sie sich gerne bereit, nicht nur beide Augen, sondern auch ihre Nase großzügig zuzudrücken.
    Fernab der Feierlichkeiten glitt eine Gondel über das schwarze Wasser eines Seitenkanals dahin. Zwei Gestalten standen aufrecht in dem schmalen Gefährt, eine schlanke, große und eine kleine.
    »Wie lange dauert es denn noch?«, fragte die kleine Gestalt.
    »Nicht mehr lange«, antwortete die große. »Hab Geduld.«
    Falfnin blieb dem Schatten aus seiner Vergangenheit dicht auf den Fersen.
    Längst hatten sie den Park verlassen und bewegten sich nun wieder durch das dichte Gedränge, das in den Straßen der Stadt herrschte.
    Wäre er etwas aufmerksamer gewesen, so hätte der Meisterdieb wohl bemerkt, dass der andere es offenbar nicht allzu eilig hatte und ab und zu sogar kurz stehen blieb, um sicherzustellen, dass sein Verfolger auch hinterherkam.
    Nach kurzer Zeit verschwand die Gestalt in dem figurenverzierten Portal einer Kirche.
    Kirchen, Klöster, Tempel und Reliquienschreine prägten das Stadtbild von Verderbnis ebenso wie Ausschweifung, Laster und Dekadenz, was keineswegs einen Widerspruch darstellt, wie man bereits nach kurzem Nachdenken zugeben wird: Denn Vergebung wird schließlich dort besonders nachgefragt, wo es auch etwas zu vergeben gibt.
    Die Kirche, die Falfnin jetzt betrat, war Luhm geweiht, dem Einzigen, Echten, Wahren und Authentischen Gott des Universums . (Es sollte allerdings darauf hingewiesen werden, dass die Religionskundler der Fernen Länder insgesamt 79324 (in Worten: Neunundsiebzigtausenddreihundertvierundzwanzig) Einzige, Echte, Wahre und Authentische Götter des Universums verzeichneten, von denen die meisten bereits nach einer eher kurzen Karriere im Omnipotenzbusiness sang- und klanglos von der Bildfläche verschwunden waren oder ein klägliches Schattendasein in der obskuren Sekten-, Kultisten- und Fanatikerszene führten.)
    Tiefe Stille erfüllte das große Kirchenschiff. Nur gedämpft und wie aus weiter Ferne drangen die Geräusche der Festivitäten herein.
    Durch die

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