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Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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die beste Heilmagierin der Welt wärest, könntest du nichts mehr ausrichten. Meine Zeit ist gekommen, das ist alles.«
    »Ihr habt mich fortgeschickt!«, rief Selphyne, die Tränen wütend von ihren Wangen fortwischend. »Ihr wusstet, dass so etwas passieren würde, und deswegen habt Ihr mich einfach fortgeschickt zu diesem … diesem Waschlappen!«
    »Ich gebe es zu«, lächelte ihr Lehrmeister.
    »Warum habt Ihr das getan? Ich hätte Euch helfen können!«
    Der Magister schüttelte den Kopf.
    »Nein, Selphyne. Für dein Alter bist du eine ausgezeichnete Blitzmagierin. Und die beste Schülerin, die ich je hatte.« Er lächelte verschmitzt. »Das kannst du mir glauben: In einem Augenblick wie diesem sagt man so etwas nicht einfach dahin. Aber der Feind, der mich besiegt hat, wäre auch für uns beide zusammen zu stark gewesen.«
    »Dann wären wir eben gemeinsam besiegt worden«, sagte Selphyne trotzig.
    »Nein. Ich bin alt, Selphyne. Meine Zeit ist vorbei, so ist nun einmal der Lauf der Welt. Du dagegen bist jung, dein ganzes Leben liegt noch vor dir. Lebe es. Das ist der Grund, warum du hier bist.«
    »Sagt mir, wer Euch das angetan hat!« Selphyne ballte die Fäuste.
    »Niemand«, entgegnete der Meister.
    »Sagt mir den Namen!«
    Wieder schüttelte ihr Lehrmeister den Kopf.
    »Rache ist kein gutes Motiv, um sein Leben danach auszurichten.«
    »Ich werde es auch so herausfinden!«
    »Vielleicht wirst du das eines Tages«, sagte der Magister. »Aber es ist nicht weise, der Dunkelheit zu viel Macht über sein Leben zu verleihen.« Mühsam richtete er sich auf. »Du könntest mir noch einen Gefallen tun. Würdest du die Fensterläden öffnen, damit das Licht hereinkommt?«
    Schluchzend erfüllte Selphyne den letzten Wunsch ihres Lehrmeisters.
    Und so, das warme Licht der Abendsonne auf seinem wie immer lächelnden Antlitz, starb Magister Tolfnir.
    Unterdessen führte Bolgur wieder seinen andauernden Krieg gegen diverse soziale Phobien.
    Der tosende Trubel des Maskenfestes, die Masken, die ihn aus allen Richtungen angrinsten, verunsicherten ihn und erweckten den dringenden Wunsch nach Ruhe, Frieden und Zurückgezogenheit.
    Hin und wieder wagte er es, Nenias Namen zu rufen, aber nicht zu laut, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    Äußerlich mochte er zwar ein kolossaler Muskelberg von einem Kriegsoger sein, doch in seinem Herzen war noch immer viel von dem schüchternen kleinen Ogerbarbarenbuben, der an der Hand seiner Mutter zum ersten Mal über den Barbarenjahrmarkt spaziert war und die vielen fremden Eindrücke mit großen ängstlich-neugierigen Augen in sich aufgenommen hatte.
    Fratzenhafte Maskengesichter kamen ihm lachend entgegen, verwirrend brandete die Menge über ihn hinweg, ebenso wie die Ozeanwellen über den kleinen roten Ball eines Ogerjungen, der bangend am Strand steht und darauf hofft, dass das Meer gütig genug ist, ihm sein liebstes Spielzeug wieder zurückzugeben, anstatt es in die endlosen unbekannten Weiten jenseits des Horizonts hinauszutragen.
    »He, Kleiner«, rief ihm eine grell geschminkte Ogerbraut zu, auf die die Bezeichnung Bordsteinschwalbe nur dann zutreffend wäre, wenn man sich Schwalben vorstellen könnte, die ungefähr eine halbe Tonne wiegen und in der Lage sind, mit einem beherzten Kinnhaken ein Rhinozeros außer Gefecht zu setzen. »Lust, dich zu amüsieren?«
    »Ja«, schnaufte Bolgur, der keinen Widerspruch wagte. Wenn jemand so höflich fragte, gehörte es sich einfach nicht abzulehnen. Anstatt jedoch stehen zu bleiben und über Art, Dauer und Kosten des in Aussicht gestellten Amüsements zu verhandeln, eilte er schwitzend weiter, als wären die Heerscharen der Hölle hinter ihm her.
    »Verklemmter Trottel!«, rief ihm die Ogerbraut hinterher.
    Ja, Bolgur gehörte durchaus eher zur schüchternen Sorte.
    »Ich bin nicht schüchtern«, murmelte der Ogerbarbar. »Mama hat immer gesagt, ich bin nicht schüchtern, sondern nur sehr sensibel und feinfühlig.«
    Erklär das mal den Leuten, die du mit deiner Keule haust …, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf.
    Bolgur blickte sich überrascht um.
    Wer hat das gesagt?, dachte er.
    Ich, sagte die Stimme. Ich spreche zu dir aus den Tiefen deiner Seele, weil …
    Bist du so was wie mein verdrängtes Unbewusstes?, fragte Bolgur interessiert. Cousine Borgula promoviert nämlich gerade in Psychologie über das topologische Strukturmodell der Psyche und die Trias Ich, Es und Über-Ich .
    Äh …, machte die Stimme. Sagen

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