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Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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schenken.
    Schließlich verzog sie den Mund, wandte sich ab und ging.
    Glornion seufzte tief auf.
    »Ach ja! Ist das Leben nicht eine wahre Bürde!«
    Selphyne rollte mit den Augen und sagte nichts.
    Die Masche kannte sie.
    Jetzt wurde von ihr erwartet, dass sie ihn mitleidig tröstete und all die schönen Dinge aufzählte, die das Leben doch lebenswert machten, bis irgendwann auch die Liebe in dieser Liste auftauchte.
    Dann würde er wieder tiefsinnig seufzen: »Ach ja, die Liebe!« und schlimmstenfalls irgendein selbstgeschriebenes kitschiges Gedicht aufsagen, in dem es um seine hoffnungslose Einsamkeit ging. Ultimativ würde das alles dann aufs Rumknutschen rauslaufen.
    Aber da biss er heute bei ihr auf Granit.
    Sie saßen im Schatten der Liebeseiche, die mit ihren weit ausladenden Ästen einsam inmitten der ausgedehnten Heidelandschaft aufragte. Ein wolkenloser, blauer Sommerhimmel wölbte sich wie eine gläserne Kuppel über ihnen, und in der Nähe murmelte ein Bach, an dem gerade ein Schäfer mit seiner Herde rastete.
    »Ach ja«, seufzte Glornion.
    Selphyne schwieg beharrlich.
    Das war das letzte Mal, dass sie mit einem Nachtelf ausging.
    Der plötzliche Gesinnungswandel ihres Lehrmeisters kam ihr mittlerweile immer merkwürdiger vor. Für einen kurzen Augenblick, dachte sie, hatte er fast besorgt gewirkt, und so hatte sie ihn noch nie erlebt.
    In der Nähe blökte die Schafherde.
    Da spürte sie es plötzlich: Eine gewisse Schwingung der Luft, eine Dämpfung des Lichts, eine Atmosphäre, die eine Gänsehaut bei ihr verursachte.
    Sie hob den Blick, und es war, als hätte sich ein dunkler Schleier über den Himmel gelegt, selbst die Sonne schien dahinter zurückgewichen zu sein.
    Selphyne sprang auf.
    »Hör mal«, wandte sie sich an Glornion, der noch immer in den Niederungen seines narzisstischen Selbstmitleids weilte. »Meine Oma … Ach, vergiss es.«
    Ohne sich noch einmal umzublicken, eilte sie davon.
    Mit klopfendem Herzen und düsteren Vorahnungen rannte Selphyne über den Heidepfad zurück zum Turm des Magisters.
    Als sie endlich eine Hügelkuppe erreichte, von der aus sie in die sanft geschwungene Talmulde hinunterblicken konnte, in der Magister Tolfnir seine Wohnstätte errichtet hatte, blieb sie stehen und schnappte nach Luft.
    Eine undurchdringliche Wolke aus Finsternis hüllte den Turm ein und wogte wie ein Schwarm schwarzer Fledermäuse um ihn her.
    Mit weichen Knien lief Selphyne den Pfad in das Tal hinab, stolperte über Baumwurzeln und verfluchte sich dafür, dass sie ihren Lehrmeister allein gelassen hatte.
    Ihr Siebter Magischer Sinn ließ alle Alarmglocken schrillen – was immer hinter diesem schwarzen Etwas stecken mochte, es konnte nichts Gutes sein.
    Sie war etwa auf hundert Meter an den Turm herangekommen, als sich die Wolke aus Dunkelheit plötzlich hob und aufwärts gen Himmel strebte. Eine Zeitlang hielt sie sich noch über dem Turm, dann stob sie davon, als wäre sie von einem Sturmwind erfasst worden.
    Mit letztem Atem stürzte Selphyne zum Turmeingang.
    »Meister Tolfnir!«, keuchte sie, als sie den Turm betrat und die Treppe hinaufeilte.
    Auf dem Boden seines Arbeitszimmers fand sie ihn.
    Eine furchtbare Unordnung herrschte in dem Raum, Bücherregale waren umgestürzt, Bücher lagen überall verstreut herum, viele davon zerfetzt, das große dreidimensionale Modell des Sonnensystems, an dem der Magister so viele Jahre gearbeitet hatte, war vollständig zertrümmert worden. Als Selphyne das Zimmer betrat, rollte ihr die goldene Sonnenkugel, die sich im Zentrum des Modells befunden hatte, vor die Füße.
    Inmitten des Chaos und der Zerstörung lag ihr Lehrmeister, eine dunkle Blutlache hatte sich um ihn herum ausgebreitet.
    Obwohl er offensichtlich schwer verletzt war, lächelte er dennoch sein freundliches, mildes Lächeln, als er Selphyne erblickte.
    »Meister Tolfnir!«, rief sie fassungslos und kniete bei ihm nieder. »Wer hat Euch das angetan? Was ist hier passiert?«
    »Es ist nichts«, flüsterte der Magister und nahm lächelnd ihre Hand. »Alles ist gut. Alles wird gut, Selphyne.«
    »Wie könnt ihr das sagen!«, schluchzte sie. Tränen liefen ihre Wangen hinab. »Ihr seid doch schwer verletzt!« Sie sprang auf. »Ich hole die Verbandssachen! Und wo ist das Buch mit den Heilformeln? Verdammt, warum habe ich meine Zeit mit Feuer und Blitzen verschwendet, Heilmagie hätte ich studieren …«
    »Selphyne«, hielt sie der Magister sanft zurück. »Es ist gut. Auch wenn du

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