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Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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aufwecken könnten.
    Finsternis von der Sorte, wie sie Selphyne jetzt umgab, erhielt man, indem man gewöhnliche Dunkelheit in einem Destillierkolben so lange aussiedete, bis auch die letzten Bestände von Restlicht daraus getilgt waren.
    Eine solche Finsternis musste in der uranfänglichen Nacht geherrscht haben, bevor noch die Welt erschaffen worden war, kalt, undurchdringlich und so dicht, dass man große Blöcke aus ihr hätte herausschneiden können, um aus ihnen dann die Schreckliche Festung des Ewigen Widersachers zu erbauen.
    Das Atmen fiel Selphyne schwer, es war, als befände sie sich auf dem Grund eines unermesslich tiefen Ozeans aus Einsamkeit und Nacht. Wie eiskaltes Wasser drang die Dunkelheit durch ihren Mund und ihre Nase ein und füllte ihre Lunge an, bis sie das Gefühl hatte, ersticken zu müssen.
    »Wohin willst du nun noch fliehen?«, flüsterte die Stimme der Schwarzen Viper, die jetzt ebenso allgegenwärtig schien wie die Finsternis. »Es gibt keinen Ort, an dem du sicher bist. Es gibt nur die endlose Nacht und das Nichts, und die einzige Hoffnung auf Erlösung ist ein schneller Tod.«
    Selphyne keuchte, ihre Gedanken rasten.
    Nicht in Panik verfallen, sagte sie sich, während sie fieberhaft überlegte, welchen Zauber sie gegen diese schreckliche Dunkelheit ins Feld führen konnte.
    Ihr fiel keiner ein.
    Sie spürte ihren Körper taub werden und willenlos in die Nacht hinabsinken, bereits dem Tod ergeben, der einzigen Erlösung, die sie erwarten durfte.
    Doch plötzlich sah sie das lächelnde Gesicht des Meisters vor sich.
    Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht / den alten Rang, den Raum ihr streitig macht.
    Und ehe ihr bewusst wurde, was sie eigentlich tat, hatten ihre Hände begonnen, einen neuen Zauber zu wirken.
    Ein warmes Glühen erschien in der Finsternis.
    So klein und unbedeutend es auch scheinen mochte, es war dennoch Licht, und das war schon einmal etwas.
    Ich nenne es Magister Tolfnirs Anheimelnder Sternenglanz , hörte Selphyne die ferne Stimme ihres Lehrmeisters. Vielleicht das Beste, was ich je gemacht habe.
    »Wie niedlich«, spottete die Schwarze Viper. »Was soll das denn werden, wenn es groß wird?«
    Selphyne wusste es selbst nicht. Vorläufig genügte es ihr, etwas zu haben, was sie der Dunkelheit entgegensetzen konnte.
    Sie ließ ihre Energie weiter in den Zauberspruch strömen, und es gelang ihr, eine etwa apfelgroße Kugel aus Licht zu erschaffen, die zwischen ihren Handflächen schwebte wie eine einsame Sonne in einer Galaxie, die von einer kosmischen Katastrophe verödet worden war.
    Sie konnte spüren, wie die Dunkelheit den leuchtenden Ball von allen Seiten belagerte, um ihn zu zerdrücken und auszulöschen. Dennoch brachte sie es fertig, das Licht weiter zu verstärken und die Kugel zu vergrößern.
    Es ist noch nicht ganz fertig. Du könntest mir dabei helfen, diesem bescheidenen Lichtzauber ein wenig mehr Wumms zu verleihen, wie du es ausdrücken würdest. Ich hätte da ein paar interessante Experimente im Kopf …
    Nun, was mehr Wumms anging, da konnte sich Selphyne bei aller Bescheidenheit zu den führenden Experten weltweit rechnen.
    »Versuchst du gerade wirklich das, wonach es aussieht?«
    Die Stimme der Schwarzen Viper klang nicht mehr ganz so selbstsicher, sondern zitterte merklich vor Anstrengung.
    »Wonach sieht es denn deiner Meinung nach aus?«, erwiderte Selphyne mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Nach Improvisation «, kam die Antwort aus der Dunkelheit.
    Mit dieser Vermutung lag die Viper in der Tat richtig.
    Um ein vages Verständnis für den Unterschied zwischen Regulärer und Improvisierter Magie zu bekommen, stelle man sich zum Beispiel ein Atomkraftwerk vor.
    Ein Atomkraftwerk, das nach den neuesten Erkenntnissen und mit Hilfe der aktuellsten Technologie den höchsten Sicherheitsstandards entsprechend gebaut worden ist und von hochqualifiziertem, psychisch weitestgehend stabilem Personal unter möglichst kontrollierten Bedingungen betrieben wird.
    Dieses Atomkraftwerk repräsentiert die Reguläre Magie.
    Improvisierte Magie dagegen …
    Improvisierte Magie ähnelt einer Atombombe.
    Nicht einem dieser Megatonnen-Meisterwerke der Ingenieurskunst, mit Interkontinentalantrieb, Laserzielsystem und nuklearem Mehrfachsprengkopf, bei denen sich die gute alte Erde geradezu geehrt fühlen darf, wenn sie von ihnen eines Tages in ihre kleinsten Bestandteile zerbröselt werden wird.
    Nein, Improvisierte Magie ähnelt vielmehr einer Schmutzigen Bombe,

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