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Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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aber darum war es Selphyne auch nicht gegangen.
    Ein Stöhnen verriet ihr, dass sie mit ihrer Vermutung recht gehabt hatte.
    »Autsch gleichfalls«, bemerkte sie befriedigt. »Das muss jetzt aber auch wehgetan haben, oder?«
    »Elendes Miststück!«, fluchte die Schwarze Viper, die nun offenbar beschlossen hatte, ihre Gutmütiges-Elfenmuttchen-Maske vollends abzulegen.
    Wie von Selphyne angenommen, hatte sie sich mit Hilfe von Ashfoldecs Thermographischem Blick im Dunkeln orientiert. Der Erfinder dieses Zauberspruch, Ashfoldec, war ein Vampir gewesen, der nach einer Methode gesucht hatte, die ihm seine nächtliche Jagd auf warmes, schmackhaftes Blut erleichtern würde. Vampire können zwar von Natur aus ganz gut im Dunkeln sehen, aber gewisse Alterserscheinungen wie Kurzsichtigkeit machen auch vor betagten Untoten nicht halt. Also hatte Ashfoldec einen Spruch entwickelt, der es ihm ermöglichte, Wärmestrahlung in seiner Umgebung wahrzunehmen. Der Gefrierpunkt bei 0° erschien als eisiges Blau, die durchschnittlichen 36° humanoider Warmblüter als appetitanregendes warmes Rot, der Siedepunkt von 100° als leuchtendes Orange.
    Und die 1200° von Nolfingels Weißglühender Sphäre entsprachen einer gleißenden Explosion blendender Helligkeit.
    Selphyne brachte die Sphäre zum Erlöschen und wechselte ihrerseits auf magische Wärmevision, was sie ihre Gegnerin als roten Schemen wahrnehmen ließ, umgeben von grau-schwarzem Rauschen – aus komplizierten zaubertechnischen Gründen, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann, lieferte Ashfoldecs Thermographischer Blick ein recht grobkörniges Bild.
    Die Schwarze Viper presste sich die Hände gegen die Augen, deren Sehnerven durch die plötzliche Hitzeexplosion schmerzlich überfordert waren.
    »Geben Sie lieber auf, solange Sie noch können und genießen Ihre Rente«, spottete Selphyne. »Ich will Sie ungern verletzen, Mütterchen. «
    Im nächsten Augenblick wurde ihr klar, dass sie besser daran getan hätte, den Mund zu halten – indem sie sprach, verriet sie ihrer Gegnerin, die zwar gerade nicht über Augen, sehr wohl aber über Ohren verfügte, ihre Position.
    Etwas zischte heran, und Selphyne parierte mit knapper Not die Klinge aus komprimierter Dunkelheit, die treffsicher auf ihren Hals gerichtet gewesen war.
    Der Angriff war stark genug, um ihren hastig gewirkten Energieschirm zu zerschmettern und betäubte ihren Arm bis zum Schultergelenk hinauf.
    »Wie großmütig von dir, Schätzchen «, antwortete die Viper. »Aber ich habe bereits Zauberduelle ausgefochten, als du noch in den Windeln lagst.«
    Selphyne schüttelte ihren Arm, bis das Gefühl zurückkehrte, und bereitete den nächsten Zauber vor.
    »Was Erfahrung angeht, sind Sie mir zweifellos um einiges voraus«, gestand sie ein. »Andererseits gilt dasselbe für Arthritis und Rheuma. Und der Windelphase nähern Sie sich auch wieder mit großen Schritten, wenn ich nicht irre.«
    Vielleicht konnte sie ihre Gegnerin provozieren und dadurch zu unüberlegten Aktionen verleiten. Ein entrüstetes Schnauben und der nächste Angriff zeigten, dass diese Strategie aufgegangen war.
    Es war exakt dasselbe Manöver wie zuvor, doch dieses Mal hatte Selphyne die passende Gegenmaßnahme getroffen.
    Anstelle eines gewöhnlichen Schilds hatte sie jetzt Brofos Kinetischen Umkehrer beschworen, der die Klinge aus verdichteter Finsternis reflektierte und nach dem Prinzip Einfallswinkel = Ausfallswinkel auf die Angreiferin zurückwarf, die es gerade noch schaffte, den Kopf einzuziehen und so mit einer blutigen Schramme auf der Stirn davonkam.
    »Zweimal hintereinander die gleiche Attacke«, kommentierte Selphyne. »In Ihrer ruhmreichen Jugend wäre Ihnen das nicht passiert. Aber mit dem Alter wird man geistig eben unbeweglicher und neigt zu mehr Konservatismus.«
    »Ich habe dieses Spielchen jetzt satt«, fauchte die Schwarze Viper. »Du denkst, du weißt, was Dunkelheit ist? Du hast ja keine Ahnung.«
    Selphynes Siebter Sinn löste die höchste Alarmstufe aus, als sie spürte, dass ihre Gegnerin einen mächtigen Zauber vorbereitete.
    Was sie bis eben für unmöglich gehalten hätte, geschah nun: Es wurde noch dunkler.
    Dies aber war keine gewöhnliche Finsternis, wie man sie aus sternlosen Nächten an verlassenen Orten kennt, sie glich nicht einmal derjenigen, die in den tiefsten Tiefen der Welt herrscht, wohin selbst die Zwerge ihre Stollen nicht vorzutreiben wagen, aus Furcht vor dem, was sie dort unten

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