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Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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eine überraschende Wirkung.
    Bolgur erstarrte. Wie das Werk eines sportbegeisterten Bildhauers stand er da, Barbarenoger beim Zwergenweitwurf, und schien in tiefes Nachgrübeln versunken zu sein.
    Und er grübelte tatsächlich.
    Plötzlich war wieder alles da, die Geburtstagstorte, seine Cousins, seine Mutter, die ihm das keulenförmige, in Geschenkpapier eingewickelte Paket überreichte.
    »Alles, alles Gute zu deinem Geburtstag, mein süßer Gurli!«
    Und jetzt fiel ihm auch der Rest ein, das fehlende Mosaiksteinchen, nach dem er in den Tiefen seiner Erinnerung gesucht hatte.
    Er hörte Geschenkpapier rascheln und sah seine nagelneue Barbarenkinderkeule vor sich, so wie sie im Schaufenster von Roknoz Waffen- und Spielwarengeschäft gelegen hatte, an dem er sich schon wochenlang vorher regelmäßig die Nase platt gedrückt hatte, bis Roknoz ihn schließlich verjagte, weil er keine Lust hatte, drei Mal täglich die Scheibe putzen zu müssen.
    »Aber denk daran«, hörte er die Stimme seiner Mutter sagen, »als vernunftbegabtes Wesen hast du die Pflicht, mit deiner Keule verantwortungsvoll umzugehen. Denn unsere Handlungen dürfen nicht nur eine Folge der Saftmischung in unseren Köpfen sein, sondern müssen als freiheitliche Willensentscheidungen aus reiflicher Überlegung entspringen. Manchmal wirst du vielleicht das Verlangen spüren, einfach jemanden, ganz egal wen, mit deiner Keule zu hauen. Aber in solchen Situationen musst du dich fragen: Tue ich auch das Richtige? Lässt sich aus meinem Verhalten eine allgemeingültige, moralisch vertretbare Maxime ableiten, oder bin ich einfach nur ein Sklave meiner Gehirnsäfte? Vergiss das nicht, Gurli: Gut und Böse sind ganz reale Gegensätze, die aus unserer Wahlfreiheit entstehen. Und jetzt: Wer hat Hunger auf Torte?«
    »Hallo, Bolgur, jemand zu Hause?«
    Brom winkte von oben vor Bolgurs Augen hin und her.
    Der Oger blinzelte.
    Langsam verblassten die Erinnerungen, und er kehrte in die Gegenwart zurück.
    Ein Schluchzen ging durch seinen Körper.
    Er ließ Brom herunter und drückte ihn an seine mächtige Brust.
    »Entschuldige, dass ich dich mit meiner Keule hauen wollte!«, schniefte er. »Ich war ein Sklave meiner Hirnsäfte!«
    »Ja, ja, schon gut«, ächzte Brom. »Kein Grund, mir alle Rippen zu brechen.«
    »Schön, dass ihr wieder Freunde seid«, sagte Selphyne. »Dann können wir uns ja endlich dem Fall des mysteriösen Klosterbruders zuwenden.«
    Sie näherten sich dem Mönch, der noch immer reglos mit dem Gesicht nach unten im Gras lag.
    »Ich war ein Sklave meiner Gehirnsäfte«, murmelte Bolgur schuldbewusst.
    »Mach dir keinen Kopf«, sagte Brom. »Ganz unverdient hat er bestimmt nicht Bekanntschaft mit deiner Keule geschlossen.«
    Er drehte den Mönch auf den Rücken und schlug seine Kapuze zurück.
    »Na so was …«
    »Das ist ja …«
    Es war Arsenio.
    Jemand hatte ihn geknebelt und ihm die Arme unter der Kutte auf den Rücken gefesselt.
    »Er ist tot«, sagte Brom.
    »Irgendetwas sehr Merkwürdiges geht hier vor sich«, meinte Selphyne.
    Vom Gebäude tönte stürmisches Glockenläuten herüber.
    »Schon wieder Feueralarm?«
    Die Situation war ausgesprochen brenzlig.
    Unten hörte Falfnin den Cerberus knurrend umherjagen: Feuer macht Höllenhunden nicht allzu viel aus, im Gegenteil, sie fangen sogar erst bei ordentlich höllenmäßigen Temperaturen an, so richtig aufzublühen.
    Wichtelmeisterdiebe hingegen blühen in großer Hitze weniger auf, als dass sie knusprig werden, was für sie selbst keine besonders erstrebenswerte Entwicklung darstellt.
    Das Regal, auf dem Falfnin festsaß, hatte Feuer gefangen, Flammen züngelten gierig zu ihm empor.
    Er holte tief Luft und rannte los.
    Am Ende des Regals ließ er sich hinabgleiten und lief weiter.
    Hinter ihm nahm der Höllenhund die Verfolgung auf.
    Sein Ziel klar vor Augen, rannte Falfnin weiter geradeaus.
    Keine Zehntelsekunde zu früh – er spürte bereits den heißen Atem der Bestie in seinem Nacken – warf er sich auf den Boden.
    Der Cerberus sprang mit einem mächtigen Satz über ihn hinweg und landete in seiner Kerkerzelle.
    Falfnin schwang die massive Eisentür hinter ihm zu und schob den Riegel vor.
    Wütende Stöße erschütterten die Tür von innen, aber sie hielt.
    Falfnin gönnte sich eine winzige Verschnaufpause.
    Problem Eins gelöst.
    Jetzt kam Problem Zwei an die Reihe: Wie konnte er aus diesem Inferno entfliehen?
    Schwarzer Rauch durchzog den Keller, in dem anderen Raum

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