Totentrickser: Roman (German Edition)
billiger und auch schneller gewesen. Soviel zum Thema ›Keine Wahl‹.«
»Der Wirt hatte gerade eine neue Lieferung Finsterklammer Zwitscherer reinbekommen und Bolgur hatte einen unheimlichen Lauf beim Fingerhakeln. Das läuft bei mir unter der Bezeichnung ›Keine Wahl‹. Irgendwie mussten wir schließlich die vierhundert Dublonen wieder reinkriegen, die wir Ulgamesch noch schulden.«
»Soweit ich das mitbekommen hab«, sagte der Meisterdieb, »habt ihr den Trauergestalten beim Fingerhakeln insgesamt fünf Schillinge und neunundzwanzig Kopeken abgeknöpft und selbst für vier Dublonen Zwitscherer gesoffen. Und ich musste sieben Finger wieder annähen.«
»Wo gehakelt wird, reißen eben Finger ab. Bolgur war einfach in Topform.«
Nur durch puren Zufall waren in letzter Minute noch drei Kabinen auf der Königin Albereth II frei geworden.
Dieser pure Zufall hatte am Morgen vor der Abfahrt in Gestalt eines Zwergs und eines Ogers vor der Hotelsuite der gräflichen Familie von Sonnenburg gestanden und den empörten Grafen davon in Kenntnis gesetzt, dass seine Reservierung storniert worden sei.
»Storniert?«, hatte der Graf entgegnet. »Eine Unverschämtheit! Das lasse ich mir nicht biet…«
»Nenia, man spielt nicht mit seinem Essen«, sagte Selphyne und meinte es wörtlich.
Die kleine Nachtelfe hatte offensichtlich einiges von ihrem Vater gelernt und erprobte ihr nekromantisches Wissen jetzt an dem Hummer, der vor ihr auf dem Teller lag. Das Krustentier erhob sich aus seinem Soßenteich und stakste mit zuckenden Gliedern blubbernd und zischend über den Tisch. Nachvollziehbarerweise stand es um seine Laune nicht gerade zum Besten, nachdem es eben erst in einen Topf kochenden Wassers geworfen worden war, wovon es angeblich so gut wie nichts gespürt hatte.
»Töte ihn!«, befahl Nenia ihrem untoten Geschöpf und zeigte auf Falfnin. »Und ich werde dich reich belohnen!«
Beiläufig nagelte Falfnin den Hummer mit einem Dolch an die Tischplatte, während er die Namen auf der Liste des Totenbeschwörers las.
»Benevolentia Leberecht. Irenicus Dunkelblut. Die Schwarze Viper. Plutonio Trauersaat. Sag mal, Kleine«, wandte er sich an Nenia und gab seiner Stimme einen möglichst weichen Klang, »kennst du …«
»Nenn mich nicht Kleine!«, fauchte die Nachtelfe. »Sonst sollen die Dämonen der Hölle das Fleisch von deinen Knochen nagen!«
»Ach, ist sie nicht ganz der Papa?«, meinte Brom gerührt.
»Es ist so traurig«, seufzte Bolgur und putzte sich lautstark die Nase mit seiner Serviette.
An den Nebentischen wurden Köpfe geschüttelt.
»Kennst du irgendeinen der Verwandten auf der Liste, Nenia?«, fragte Selphyne.
»Nein. Aber Papa hat immer gesagt, die meisten Verwandten sind wie Knochenfäule: Das Leben ist schöner ohne sie.«
»Da ist was dran«, nickte Brom, Reminiszenzen an Tante Brunhilda Revue passieren lassend.
»Aber was ist eigentlich mit Deiner Mutter, Kl… ich meine, Nenia«, fragte Falfnin
»Mama ist in der Hölle«, entgegnete die kleine Nachtelfe.
Selphyne schnappte erschrocken nach Luft.
»Was?«, fragte sie.
»Mama war ein Dämon«, erklärte Nenia. »Ein Priester hat sie exorziert, und dann hat Papa den Priester exorziert. Das hat sehr lange gedauert, und der Priester hat sehr viel dabei geschrien.«
Selphyne schauderte. Von glücklicher Kindheit konnte bei der Tochter des Totenbeschwörers wirklich nicht die Rede sein.
Brom winkte mit einer leeren Flasche. »Garßong!« rief er. »Garßong! Noch eine hiervon! Siehst du«, wandte er sich an Selphyne, »ich hab ihn nicht Milchbubi , genannt und auch nicht Schmalzlocke , sondern Garßong, ganz komm ill foh . Ich kann also auch kultiviert sein, wenn ich will.«
Die Gnomenmagierin verbarg ihr Gesicht hinter den Händen, ihre ganze Körpersprache besagte: Ich kenne diese Leute überhaupt nicht!
Der als Garßong angesprochene Kellner kam an den Tisch und nahm Brom die Flasche ab.
»Sehr wohl«, sagte er mit einer Verbeugung. »Und … es ist mir ein wenig peinlich, die Damen und Herren darauf hinzuweisen, aber an den anderen Tischen hat es Beschwerden wegen des Lärms gegeben…«
»Lärm?« Brom runzelte die Stirn. »Jetzt, wo du es sagst, fällt es mir auch auf.«
Er drehte den Kopf und rief laut durch den Saal, in dem plötzlich sämtliche Gespräche verstummten:
»He! Könnt ihr Jungs nicht mal eine Pause einlegen?«
Die vier Musiker, die soeben mit dem »Schwalben-Quartett« begonnen hatten, hielten erschrocken
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