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Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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fest.
    »Eine tolle Rede«, flüsterte Selphyne Bolgur zu. »Hat mich fast zu Tränen gerührt.« Sie blickte sich im Saal um. »Wo ist eigentlich Falfnin?«
    »Wo ist eigentlich Antoinette?«, fragte die Baronin von Edelheim und drehte sich auf ihrem Stuhl um.
    Die Antworten auf diese beiden Fragen lagen sehr dicht beieinander.
    In den frühen Morgenstunden des nächsten Tags näherte sich die Königin Albereth  II dem Lufthafen von Gnolmenbrück.
    Falfnin strich der schlafenden Baroness die Haare aus der Stirn und hauchte einen Kuss auf ihre halbgeöffneten Lippen. Sie seufzte leise im Traum.
    Seine Hand spielte zärtlich mit ihren Fingern, während er sie lächelnd betrachtete.
    Plötzlich hielt er inne.
    Er hatte den Ring ertastet, den sie an ihrer linken Hand trug.
    Es war ein kostbarer goldener Ring mit einem großen Diamanten, und Falfnin schätzte aus alter Meisterdieb-Gewohnheit sofort den Wert, den das Schmuckstück im Hinterzimmer von Ulgameschs Kaufhaus für Abenteurer einbringen würde, dort, wo der Koboldhändler die etwas heikleren Geschäfte tätigte.
    Nein, entschied er schließlich nach einem längeren inneren Kampf.
    Sie hatte ihm, dem verwegenen Abenteurer und galanten Liebhaber, ihr Vertrauen geschenkt, und er würde sich dieses Vertrauens würdig erweisen.
    Er gab ihr noch einen flüchtigen Kuss und stahl sich leise aus der Kabine.
    Ich habe doch ein gutes Herz, dachte er, gerührt von seiner eigenen seelischen Größe, als er die Tür hinter sich schloss.
    Außerdem war der Ring sowieso nur einen Bruchteil des Geldes wert, das er mit dem Schmuck machen würde, den er aus der Schatulle in ihrem Schreibtisch hatte mitgehen lassen.
    Wenig später gesellte er sich zu Nenia und den anderen Helden, die am Bug des Schiffes standen und die majestätisch aufragenden Gipfel des Himmelsgebirges betrachteten, die gerade von den Strahlen der aufgehenden Sonne vergoldet wurden.
    »Wie heißt der Ort noch mal, in dem die Tante der Kleinen wohnen soll?«, fragte Brom.
    »Yrth«, antwortete Selphyne.
    »Nie gehört.«
    »Scheint eine neu gegründete Siedlung zu sein. Es heißt, die Tugend sei dort zu Hause.«

Yrth
    Yrth hing wie ein riesiges Insektennest, ein ungeheures marmornes Ei, an der Flanke des Berges.
    Wolkenschleier trieben unter der Stadt – oder was immer es sein mochte. Und als die Helden, aus dem Dunst heraustretend, sie plötzlich vor sich aufragen sahen, tauchte das Licht der untergehenden Sonne die weißen Wälle in einen rötlichen Schein.
    »Was in aller Welt ist das?«, fragte Selphyne, der es vor Staunen den Atem verschlagen hatte.
    »Sieht aus, als wäre es vom Himmel gefallen«, meinte Falfnin.
    Noch bevor sie das Tor erreicht hatten, tat sich eine kreisrunde Öffnung in der weißen Mauer auf, und etwas, das wie ein großes rotes Auge aussah, richtete seinen Blick auf sie.
    »Wyllkommen!«, sprach eine Stimme. »Yrth hat Eure Ankunft bereyts erwartet!«
    Falfnin drehte sich überrascht um. »Wer spricht da?«
    »Ych byn Akolyth Severyn«, antwortete die Stimme. »Doch meyn Name tuet nychts zur Sache, denn ych byn yn Yrth und Yrth yst yn myr und meyn Mund verkündet Yrths Wort.«
    »A…ha«, sagte Selphyne bedächtig. Eine gewisse inflationäre Verwendung des Buchstabens y war kaum zu überhören. »Und … du sagtest, wir werden bereits erwartet?«
    »Yn der Tat. Sehet, sprach Yrth«, verkündete die Stimme. »Es werden kommen Helden vier an der Zahl und eyn kleynes Mädchen, und sie werden Eynlass begehren nach Yrth. Und es soll yhnen Eynlass gewähret werden.«
    »Eigentlich suchen wir eine gewisse Benevolentia Leberecht, die sich hier aufhalten soll …« In Ermangelung eines sichtbaren Gesprächspartners richtete Selphyne ihre Worte an das rote Auge neben der Tür.
    »Suchet nicht länger, denn yhr seid am rechten Ort angelanget!«, verkündete die Stimme in ihrem monotonen Singsang. Es wirkte, als läse sie einen Text vor, ohne sich recht über dessen Bedeutung im Klaren zu sein.
    »Bytte, tretet eyn. Yrth erwartet euch.«
    Fauchend glitt das Tor nach oben auf, um sich kurz darauf wie von Geisterhand hinter ihnen wieder zu schließen.
    Sie befanden sich nun in einem kleinen Raum mit zwei gegenüberliegenden Türen, von denen die eine nach draußen, die andere tiefer in die Stadt hinein führte.
    »Wartet, bys der Rytus der Reynygung vollzogen wurde«, sagte die Stimme.
    Ein leises Zischen erklang, und Dampf stieg auf, bis sie ganz in weiße Nebelschwaden eingehüllt

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