Totentrickser: Roman (German Edition)
um Erlaubnis gebeten, und auch nicht vorher, aber er würde es ihr schon noch sagen.
Später, zu einem günstigen Zeitpunkt.
Vielleicht fände sich auch vorher noch die Gelegenheit, das Handtuch irgendwie in die Reinigung zu geben.
»Meine Damen und Herren!«, begann der Graf von Hohenross seine Dankesrede, als sich die Helden auf der Bühne eingefunden hatten. »Verehrte Retter!« Lächelnd verneigte er sich in ihre Richtung.
»Schon mein seliger Großvater, Graf Leopold von Hohenross – einige der Anwesenden mögen ihn noch persönlich gekannt haben – pflegte zu sagen: ›Wenn ich mal wieder eine Schlacht gewonnen habe, tragen die Gelehrten später bloß meinen Namen in die Geschichtsbücher ein. Aber hin und wieder kann ich mir nicht helfen, auch an die tapferen Kerls aus dem einfachen Volk zu denken, die für diesen Sieg zu Tausenden an vorderster Front geblutet haben. Bin ich deswegen ein sentimentaler alter Narr?‹
Lassen Sie mich an dieser Stelle, meine Damen und Herren, an seiner Statt mit einem klaren Nein antworten.
Denn hat nicht der heutige Tag wieder einmal gezeigt, dass auch die niederen Stände ihre ganz eigene Daseinsberechtigung haben, was mancher von uns in seinem Stolz so gern vergisst?«
Wohlwollender Applaus gestand auch den niederen Ständen ihre ganz eigene Daseinsberechtigung zu.
»Bolgur, hör auf in der Nase zu bohren!«, zischte Selphyne.
»Tschuldigung«, brummte Bolgur und katapultierte seinen Naseninhalt mit einem kräftigen Schnipser durch den Raum.
Der Barbarenogerpopel zog eine ballistisch reizvolle Flugbahn und landete in der Perücke des Grafen von Hohenross, der davon aber nichts merkte, sondern fortfuhr:
»Verehrte Retter! Nehmt nun dies bescheidene Angebinde aus den Händen der kleinen Fürstin von Reichenschloss entgegen, die unser aller Dankbarkeit mit ihrer zarten Stimme zum Ausdruck bringen wird.«
Geschoben von ihrer Mutter betrat die kleine Fürstin von Reichenschloss die Bühne. Der große Blumenstrauß, den sie vor sich hertrug, ließ sie als ein Paar Beine mit einem Haufen Botanik als Oberkörper erscheinen.
»Dies bescheidene … ähm … ähm …«, kam ihr zartes Stimmchen hinter dem Strauß hervor.
»Angebinde!«, flüsterte ihre Mutter.
»Dies bescheidene Angebinde überreiche ich euch, zum Zeichen meiner … ähm … ähm …«
»Tiefen Dankbarkeit!«
»… meiner tiefen Dankbarkeit, weil … weil ihr mich davor gerettet habt, dass … ähm … dass mich die Piraten entführen und zwingen, auch Piratin zu werden. Dann hätte ich bei ihnen Fechten und Fluchen gelernt und Rum trinken und hätte diesen doofen Hauslehrer mit dem Degen aufgespießt und wär auf Kaperfahrt gegangen und hätte die doofen Freunde von meinen Eltern überfallen und ausgeraubt und über die Planke gehen lassen, und das wäre wirklich cool gewesen.«
»Ahaha!«, machte ihre Mutter, das Gesicht verziehend. »Den letzten Teil hat sie sich selbst ausgedacht.«
Die kleine Fürstin überreichte Bolgur den Strauß mit einem Knicks und verließ die Bühne.
»Vielleicht möchten unsere verehrten Retter auch einige Worte sagen?«, lächelte der Graf von Hohenross.
Brom stieß Bolgur mit dem Ellenbogen an.
»Na los, sag schon was«, flüsterte er.
»Ich?«, flüsterte Bolgur zurück. »Wieso denn ich?«
»Weil du der gewählte Gruppensprecher bist, darum«, erklärte Brom.
Widerwillig trat Bolgur vor.
»Ich … ähm …«, begann er und drehte den Blumenstrauß verlegen in seinen riesigen Ogerpranken hin und her.
Schüchtern und eher handwerklich begabt, wie er war, zählte das Halten von Reden nicht unbedingt zu seinen Stärken.
»Ähm …«, brachte er schließlich hervor, »Cousin Olgbur sagt, erst, wenn wir die Schlösser stürmen und diese elende Aristokratenbande in ihrem eigenen Blut ersäufen, werden wir dauerhaften Frieden haben.«
Betroffenes Schweigen breitete sich aus. Die Zuhörer, soeben als elende Aristokratenbande tituliert, schnappten nach Luft.
Dann lachte die Fürstin von Holdernich plötzlich auf.
»Nein, was für ein amüsanter Einfall!«, rief sie, und die übrige Gesellschaft stimmte erleichtert in ihr Lachen ein. »Wirklich ganz exquisit.«
»Das ist der trockene Humor des einfachen Volkes«, erklärte der Baron von Edelheim belustigt.
»Man sollte doch öfter auch unterhalb des eigenen Standes verkehren«, meinte die Gräfin von Hohenross.
»Man sollte es aber auch nicht übertreiben«, stellte ihr Gemahl sachlich
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