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Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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waren.
    »Das erinnert mich daran, wie ich mal einen Vetter dritten Grades oben in Schneefeld besucht hab«, erzählte Brom. »Die haben da so was, das nennen sie Sauna. Erst sitzt man um ein Kohlebecken in einer Bretterbude und schwitzt, bis man sich den Bart wie ein nasses Handtuch auswringen kann, und dann rennt man nackt durch den Schnee und verkloppt sich dabei mit frischen Tannenzweigen.«
    »Vielen Dank für die Bilder im Kopf«, bemerkte Selphyne und schnupperte. »Es riecht seltsam hier drin.«
    »Natriumhypochlorit, wenn ich mich nicht täusche«, meinte Bolgur. (Cousine Burgola besaß einen Doktor in Chemie). »Und einige andere Chemikalien, die ich nicht kenne.«
    »Der Rytus der Reynigung dienet der Befreyung der Seele von allem weltlychen Schmutze«, erklärte die Stimme. »Nur wer reynen Herzens yst, darf das heylyge Yrth betreten.«
    Als sich der Dampf endlich verzogen hatte, öffnete sich die Tür auf der gegenüberliegenden Seite, und ein junger Elf, der eine weiße Kutte trug, schritt ihnen entgegen.
    »Wyllkommen«, begrüßte er sie. »Ych byn Severyn. Folgt myr bytte.«
    Im Innern der weißen Stadt herrschte ein fahles Dämmerlicht, das von magischen Lichtkugeln erzeugt wurde, die auf kleinen balkonartigen Ausbuchtungen an den Wänden schwebten.
    Ihnen fiel auf, dass die Räume, die sie auf ihrem Weg passierten, alle sechseckig geformt waren, wie überhaupt Sechsecke in Yrth eine große Rolle zu spielen schienen, einschließlich des immer wiederkehrenden Symbols eines Sechsecks mit einem Auge in der Mitte, so wie es auch auf dem Gewand ihres Führers prangte.
    Insgesamt zeichnete sich die Architektur Yrths durch äußerste Schlichtheit und formale Strenge aus.
    »Wer hat diesen bemerkenswerten Ort erbaut?«, fragte Selphyne. »Zwerge? Oder Elfen?«
    »Nach Zwergenarbeit sieht das nicht aus«, meinte Brom kritisch. »Und für Elfen gibt es hier viel zu wenig Grünzeug.«
    »Yrth schuf Yrth«, sagte Severin. »Und er sah, dass es gut war.«
    »Wer ist denn eigentlich dieser Yrth?«, fragte Falfnin. »Ich dachte, das wäre der Name der Stadt. Oder ist es auch eine Gottheit?«
    »Yrth yst Yrth. Er yst eyns und alles, alles und eyns. Nychts entgehet seynem sehenden Auge.«
    »Dolle Geschichte«, kommentierte Brom beeindruckt.
    Hin und wieder begegneten sie anderen Bewohnern der Stadt, die die Neuankömmlinge ohne großes Interesse mit flüchtigen Blicken musterten. Wie Severin trugen sie Kutten, die mit dem Symbol des Auges gezeichnet waren und sich in ihren Weißtönen subtil voneinander unterschieden.
    Darauf angesprochen, erläuterte Severin: »Die Farbe der Kutte legt Zeugnys ab über die Stufe der Erleuchtung yhres Trägers. Der Stufen synd sechs, vom Novyzen bys zur Matryarchyn. Erst, wer den Großen Rytus der Läuterung vollzogen hat und das Weyß der Ynneren Reynheyt trägt, darf den Geweyhten Zyrkel betreten.«
    »Was sind das für Klappen, die einige vorne vor der Brust haben?«, fragte Selphyne.
    »Die Kutte mit dem Fenster der Offenbarung dürfen nur jene tragen, die den Rytus des Sehenden Auges vollzogen haben«, antwortete Severin.
    »Seltsam«, bemerkte Selphyne kopfschüttelnd.
    Nachdem sie das Gepäck in ihrem Gästequartier abgelegt hatten, führte sie Severin in einen Speisesaal, in dem etwa fünfzig Kuttenträger schweigend ihr Abendessen verzehrten.
    »Sycher seyd yhr von der Reyse hungryg und müde«, sagte Severin. »So genießet denn, was Yrth euch bescheret hat.«
    Was Yrth ihnen beschert hatte, war ein eher freudloses Mahl.
    »Das ist kotzeklig!« Nenia patschte mit dem Löffel in der breiigen Masse in ihrer Schüssel herum.
    »Nenia, was habe ich dir über Nein-Nein-Wörter gesagt?«, mahnte Selphyne. »Und es gibt viele arme Kinder, zum Beispiel in Workubosch, die froh wären, wenn sie deine Portion essen dürften.«
    Sie nahm einen Löffel und verzog das Gesicht.
    »Obwohl wahrscheinlich selbst die nicht so verzweifelt sind«, hustete sie.
    »Ich hab auch schon besser getafelt«, sagte Falfnin und schob die Schüssel von sich weg.
    Sogar Bolgur, der sonst nicht wählerisch war, musste passen.
    »Leyblycher Genuss verwyrret die Synne und verderbet die Seele«, bemerkte Severin. »Keuschheyt, Enthaltsamkeyt und Mäßygung synd die Tugenden der Heylygen.«
    »Was habt ihr denn?«, meinte Brom. »Ist doch gar nicht so übel. Und Tante Brunhilda hat auch immer gesagt: Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt, oder es gibt was an die Backen! Aber was einen nicht umbringt,

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