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Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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macht einen härter, und wer Tantchens berüchtigten Hackbraten überlebt hat, den schockt so schnell nichts mehr.« Er spachtelte seine Schüssel leer. »Gibt’s Nachschlag?«
    Außer ihnen saßen noch zwei weitere Neuankömmlinge am Tisch, Novizen , wie sie in der Hierarchie Yrths bezeichnet wurden, erkennbar an der dunkleren, ins Graue spielenden Tönung ihres Gewands.
    Es waren ein Troll-Kaufmann aus Hinterstein, der genug vom seelenlosen Geschäftsleben hatte und sich nun dem Spirituellen zugeneigt fühlte, und eine junge hübsche Wichtelin namens Prudentia.
    Sie war nach Yrth geschickt worden, um ihre zarte Seele vor den schädlichen Einflüssen weltlicher Gelüste zu bewahren, nachdem sie sich neugierig bei ihrer Mutter danach erkundigt hatte, woher die kleinen Wichtel kämen.
    Ihre Mutter war der Frage mittels einer routiniert inszenierten Ohnmacht ausgewichen und hatte sich so aus der Verlegenheit gerettet, eingestehen zu müssen, die Antwort selbst nicht ganz genau zu kennen.
    Besorgt um die sittliche Reinheit ihrer Tochter, hatten ihre Eltern Prudentia nach Yrth gebracht, in die Stadt, in der, so hatte es sich neuerdings herumgesprochen, die Tugend zu Hause war.
    »Apropos Keuschheit: Kennt ihr eigentlich schon den von dem Zwergenkrieger, der bei den Kobolden in Kriegsgefangenschaft gerät?«, fragte Brom, der beim Essen stets in Plauderlaune geriet.
    Bevor die anderen Gelegenheit bekamen, darauf hinzuweisen, dass sie den Witz von dem Zwergenkrieger in koboldianischer Gefangenschaft nicht bloß ein, sondern mindestens hundert Mal zu hören bekommen hatten, begann Brom:
    »Ein Zwergenkrieger ist bei einer Schlacht gegen die Kobolde dem Feind in die Hände gefallen. Er wird vor den Koboldherrscher geführt, und der sagt: Du wirst als Sklave an meinem Hof bleiben und meinen Haremsfrauen zu Diensten sein. Das geht natürlich nicht ohne präventive Vorsichtsmaßnahmen. Weil du ehrenhaft gekämpft hast, überlasse ich dir die Wahl: Entweder, wir schneiden dir unten was ab und machen dich zu einem Eunuchen, oder wir blenden dich und nehmen dir das Augenlicht, damit du gar nicht erst in Versuchung gerätst. Und der Zwergenkrieger sieht sich die Haremsfrauen an und reibt sich nachdenklich das Kinn. Und dann sagt er: Kann ich auch beides wählen?« [ Zwergenhumor ist im Allgemeinen weder dafür bekannt, politisch korrekt zu sein, noch ungeahnte Höhen des guten Geschmacks zu erklimmen. ]
    Brom schlug sich auf die Knie und stieß ein dröhnendes Gelächter aus, das die Yrth-Anhänger an den anderen Tischen erschrocken innehalten ließ.
    »Ych muss sehr darum bytten, vor Schwester Prudentya nycht von dergleychen verfänglychen Dyngen zu sprechen«, sagte Severin ernst. »Nycht aus Jux hat Yrth die Geschlechter als Mann und Männyn geschaffen, sondern auf dass sie sych vermehren nach seynem Wyllen.«
    » Kann ich auch beides wählen! «, wiederholte Brom, und wischte sich die Lachtränen von den Wangen.
    Schwester Prudentia hatte fasziniert zugehört.
    Die Pointe von Broms Scherz war ihr einigermaßen schleierhaft geblieben, und sie wusste auch keineswegs, worum es sich bei Eunuchen oder Haremsfrauen handelte, aber insgeheim ahnte sie, dass es um Themen ging, die ihrer Mutter reichlich Gelegenheit für die ein oder andere Ohnmacht beschert hätten.
    Und dann war da der junge Mann, der ihr gegenübersaß.
    Seine ganze Ausstrahlung, die Art und Weise, wie er sie anlächelte, schien ihr darauf hinzudeuten, dass er zu der Sorte Männer gehörte, vor der sie immer gewarnt worden war, der Sorte, die nur das Eine wollte, was immer das Eine auch sein mochte.
    Schon daheim hatte ihr der alte Pater Hyppolyt von den dämonischen Heerscharen erzählt, die mit ihren hoch aufgerichteten Belagerungstürmen der Wollust anrückten, um die Festung der Keuschheit zu erobern. Dabei hatte er seine fleischige, schwitzende Hand auf ihr Knie gelegt und ihr seinen nicht eben wohlriechenden Atem ins Gesicht gepustet, so dass es jedes Mal eine echte Geduldsprobe für sie gewesen war, sitzen zu bleiben und sich seine kurzatmigen Ausführungen bis zu Ende anzuhören.
    Mit diesem abenteuerlichen Wichtel jedoch, der sie gerade mit solch geheimnisvollen Blicken bedachte, wäre ein vertrauliches Gespräch über die dämonischen Belagerungstürme der Wollust sicher eine ganz andere, höchst erquickliche Angelegenheit.
    Außerdem – diese Erkenntnis dämmerte ihr ganz plötzlich – war er bestimmt die richtige Adresse, wenn es um die Frage ging,

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