Totentrickser: Roman (German Edition)
aus seinem Mund.
»Wir suchen einen Totenbeschwörer«, sagte sie, zur Sicherheit einen Schritt zurücktretend, falls es sich um eine ansteckende Krankheit handelte.
»Ach wirklich?«, entgegnete der Verkäufer misstrauisch. »Ihr kommt doch nicht etwa schon wieder von dieser Liga zum Schutz des … ächu-äch… Gestorbenen Lebens? Ich hab euch Typen schon mal gesagt, es geht mich nichts an, was meine Kunden mit den Waren machen, die ich an sie verkaufe. Ich bin ein Geschäftsmann und handle nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Alles andere … äch-äch… interessiert mich nicht.«
»Keine Sorge«, beschwichtigte Falfnin. »Wir interessieren uns ebensowenig wie Sie für Moral oder den Schutz des Gestorbenen Lebens. Wir suchen lediglich einen Nekromanten, der uns bei einem bestimmten Problem helfen kann, das, nun ja, gewissermaßen über das Grab hinausreicht. Und wir dachten, Sie könnten uns dabei behilflich sein, einen zu finden.«
Während des Gesprächs war Nenia im Laden auf und ab gegangen und nahm nun aus einem Regal ein mit Spiritus gefülltes Glas, in dem etwas Abscheuliches schwamm.
»Ich will eine Gorgu-Leber!«, verlangte sie.
»Nicht jetzt, Nenia«, winkte Selphyne ab. »Wir unterhalten uns gerade mit dem Mann hier.«
»Wie gesagt«, erklärte Falfnin. »Wir haben uns gedacht, sie könnten uns vielleicht bei der Suche nach diesem speziellen Nekromanten helfen.«
»Meine Kunden ziehen es vor, in den Schatten zu bleiben«, sagte Arboraxas Knochenmehl ablehnend.
»Vielleicht vermag dies hier ein wenig Licht in die Schatten zu werfen«, bemerkte Falfnin und legte ein Goldstück auf die Ladentheke.
In Knochenmehls Augen blitzte kurz das vielversprechende Funkeln der Bestechlichkeit auf.
»Das kommt drauf an«, sagte er, das Goldstück betrachtend, ohne es anzurühren. »Es sind sehr tiefe Schatten, muss man wissen …«
»Ich hab gesagt, ich will eine Gorgu-Leber haben!«, wiederholte Nenia und stampfte mit dem Fuß auf.
Falfnin legte zwei weitere Goldstücke auf die Theke.
»Ja, jetzt beginnen sich die Schatten langsam zu lichten. Vielleicht finden sich in diesem Adressbuch hier zufällig die Lieferanschriften einiger Totenbeschwörer.«
»Wir suchen einen ganz bestimmten Totenbeschwörer«, sagte Selphyne.
»Und hat dieser ganz bestimmte Totenbeschwörer auch einen … ächu-äch… Namen?«
»Ja. Er heißt Irenicus Dunkelblut.«
Arboraxas Knochenmehl schlug das in Leder eingebundene Adressbuch mit einem Knall zu, der dichte Staubschwaden aufwirbelte.
»Nie gehört«, sagte er mit plötzlich erstarrter Miene.
»Ich warne euch«, drohte Nenia. »Ich schrei gleich!«
»Aber er soll sich in dieser Stadt aufhalten, hat man uns erzählt.«
»Dann hat man eben Unsinn erzählt. Es gibt keinen … äch-ächu-äch-äch… Irenicus Dunkelblut in Schattensund. Es gibt überhaupt keine Totenbeschwörer in Schattensund.«
Nenia holte Luft und öffnete den Mund.
Rechtzeitig erinnerte sich Selphyne an die ebenso kostspielige wie infernalische Kakophonie in Ulgameschs Kaufhaus für Abenteurer und brachte die kleine Nachtelfe mit einem Stillezauber zum Schweigen.
»Keine Totenbeschwörer?«, wiederholte Falfnin. »Dafür scheint Ihr Laden aber ganz ordentlich zu laufen …«
»Nein, das tut er nicht. Ich bin pleite, bankrott, hochverschuldet. Verdammter Großversandhandel, treibt uns Einzelhändler in den Ruin.«
»Aber die Regale sind doch gut gefüllt«, wandte Selphyne ein, während Nenia sich im hinteren Teil des Ladens die Seele aus dem Leib schrie, ohne einen Ton hervorzubringen.
»Das sind alles Restposten. Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet. Wir haben geschlossen.«
Hastig drängte er sie zur Tür.
»Falls es eine Frage des Geldes sein sollte …«
»Ist es nicht. Die Toten haben keine Verwendung für Geld. Auf Nimmerwiedersehen. Beehrt mich nicht wieder.«
Damit schob er sie nach draußen auf die Straße und schlug die Tür hinter ihnen zu.
Eine Weile hörten sie ihn noch drinnen husten, dann wurde ein Schild mit der Aufschrift »Geschlossen« ins Fenster gehängt.
Und mit krakeliger Handschrift war hinzugefügt worden: Für immer!
Die Wirkung des Zaubers ließ nach und Nenia, die die ganze Zeit stumm vor sich hin geschrien hatte, brachte ein kraftloses Krächzen zustande.
»Das wirst du bereuen!«, prophezeite sie heiser.
In seinen späten Jahren hatte der Totenbeschwörer Irenicus Dunkelblut eine ganz eigene Phobie entwickelt, die gerade in seinem Beruf
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