Totentrickser: Roman (German Edition)
und setzte sie sich umständlich auf die Nase, während er weiter zur Wand zurückwich.
Quolog blieb stehen und versuchte, möglichst wenig bedrohlich zu wirken.
»Ach, du bist es, Quolog«, sagte Irenicus endlich, nachdem er ihn lange durch zentimeterdickes Brillenglas angeblinzelt hatte. »Warum sagst du das nicht gleich? Du hast mich fast zu Tode erschreckt!« Er hielt sich ein riesiges Hörrohr ans Ohr. »Was gibt es?«
Quolog krabbelte spinnenhaft auf einen Stuhl und näherte seinen Mund der Öffnung des Hörrohrs.
»Ein Brief, Meister!«, rief er in den Trichter hinein und winkte mit einem Kuvert. »Ein Brief ist für Euch abgegeben worden.«
»Ein Brief? Von wem?«
»Es steht kein Absender darauf«, entgegnete der Ghuldiener. »Soll ich ihn vorlesen?«
Nachdem Quolog die Lektüre beendet hatte, starrte der alte Nekromant versonnen vor sich hin.
»So, so«, murmelte er. »So ist das also. Nun, dank unseres anonymen Freundes werden sie uns nicht unvorbereitet antreffen. Schick einige Männer nach Schattensund. Sie sollen sich nach Fremden umsehen, die neu in der Stadt sind. Nach einem Zwerg, einer Gnomin, einem Wichtel und einem Barbarenoger. Und einem kleinen Nachtelfenmädchen.«
»Wie Ihr befiehlt, Meister«, entgegnete der Ghul. »Und was ist mit … dieser anderen Sache? Gehen wir weiter nach Plan vor?«
»Wir gehen weiter nach Plan vor«, bestätigte Dunkelblut.
Nachdem sein Diener verschwunden war, um seine Befehle auszuführen, humpelte der Totenbeschwörer noch eine Weile nachdenklich auf und ab.
Dann wandte er sich wieder dem Buch zu, in dem er bis eben gelesen hatte.
Vom ewiglichen Leben und wie man es erlanget, von Nechalziel , dem Geschmähten.
Ein düsteres Grinsen erschien auf den ausgedörrten Lippen des greisen Totenbeschwörers.
Was die andere Sache betraf, von der sein Ghuldiener gesprochen hatte, war er sicher, endlich die Lösung für sein Leben/Tod-Problem gefunden zu haben.
Um zu erhalten Leben ewiglich, bedarfst du Viererlei …
»Hallo«, stellte sich Bolgur schüchtern vor, »ich heiße Bolgur und bin ein Barbar. Schönes Wetter heute, oder?«
Seine Körperhaltung verriet, dass er bereit war, beim kleinsten Anzeichen von Ablehnung die Flucht zu ergreifen und sich in einer dunklen Ecke zu verbergen.
Die drei jungen Nachtelfen, die gerade in ein Gespräch vertieft gewesen waren, sahen überrascht zu ihm auf.
»Ja, hallo, Bolgur«, erwiderte einer von ihnen. »Das Wetter hier drinnen ist wirklich ganz nett.«
»Ein bisschen zu trocken, für meinen Geschmack«, sagte der Zweite.
»Dagegen kann man doch was tun«, meinte die Dritte und hob ihr Glas. »Auf gar nichts!«
Die anderen stießen mit ihr an.
»Auf gar nichts!«
Bolgur stand mit hängenden Schultern neben dem Tisch, seine Unterlippe bebte leicht.
War das jetzt die gefürchtete Ablehnung? Machten Sie sich über ihn lustig?
Wenn sich die Leute über ihn lustig machten, wollte er entweder wegrennen oder sie mit seiner Keule hauen, aber Selphyne hatte ihm erklärt, dass man nicht alle Probleme mit der Keule lösen durfte, obwohl er nicht ganz verstanden hatte, wieso nicht, und …
»Willst du dich nicht zu uns setzen, Bolgur?«
Bolgurs Miene hellte sich auf.
»Wirklich?«, fragte er hoffnungsvoll.
»Klar. Ich heiße Lysander. Das sind Carmina und Jorgen.«
Einladend rückte Lysander einen Stuhl für Bolgur heran.
Nachdem er sich noch zwei weitere Stühle besorgt hatte (wobei es zu kleineren Auseinandersetzungen mit deren bisherigen Inhabern gekommen war) setzte sich der Barbarenoger an den Tisch.
»Bist du zum ersten Mal hier?«, fragte ihn Carmina.
»Vielleicht«, antwortete Bolgur unsicher, der die Frage vor Aufregung nicht richtig verstanden hatte.
»Wie es scheint, glaubt Bolgur vielleicht – aber auch nur vielleicht! – an die Lehre von der Reinkarnation«, bemerkte Jorgen. »Was hat der Nihilismus zu diesem Thema zu sagen? Wo kommen wir her?«
»Aus dem Nichts!«, antwortete Carmina.
»Und wo gehen wir hin?«
»Ins Nichts zurück!«
Jorgen und Carmina stießen miteinander an und leerten ihre Gläser.
»Lass dich nicht foppen, die beiden machen nur Spaß.« Lysander klopfte Bolgur auf die Schulter. »Wir studieren Nihilismus an der Negativen Universität von Schattensund.«
»Mein Cousin Olgbur sagt, Bildung ist ein dekadenter Luxus, wenn sie nicht dem Umsturz der bestehenden Ordnung dient«, erklärte Bolgur, froh, ein Thema gefunden zu haben, zu dem er (oder sein Cousin Olgbur)
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