Totentrickser: Roman (German Edition)
von besonders heikler Art war.
Nichts fürchtete er so sehr wie den Tod.
Nicht den Tod anderer Leute – damit, dass andere Leute ins Gras bissen, hatte er nie ein Problem gehabt, ganz im Gegenteil, er war stets ein großer Förderer und aktiver Unterstützer des Ins-Gras-Beißens anderer Leute gewesen.
Er hatte auch keine Angst vor Toten wie manche seiner Kollegen, die, nachdem sie Jahre lang unbeschwert Leichenteile zusammengenäht hatten, plötzlich und aus heiterem Himmel beim Anblick eines nur leicht aufgedunsenen Kadavers das ganz große Flattern bekamen und dann auf Wichtelkindergärtner oder Elfenflorist umschulen mussten.
Für solche Psychomätzchen und Wehwehchen hatte Irencius Dunkelblut stets nur Häme und Verachtung übrig gehabt.
Nein, er verspürte ganz einfach eine Heidenangst vor seinem eigenen Tod.
Und hatte auch allen Grund dazu.
Nekromanten zählen schon bei Lebzeiten nicht gerade zu den größten Sympathieträgern, doch im Jenseits rangieren sie erst recht am untersten Ende der Beliebtheitsskala.
Nicht nur die Seelen all derer, die ihnen die eine oder andere Extrarunde als Ghul, Zombie oder Leichendrull verdanken, hegen Totenbeschwörern gegenüber einen ganz besonderen Groll, auch die Götter selbst haben nicht eben viel übrig für jene, die Schindluder mit ernsten Dingen wie Leben, Tod und Unsterblichkeit treiben und sie dabei um ihre wohlverdiente Seelenernte betrügen.
Irenicus Dunkelblut konnte also sicher sein, dass einige ziemlich verärgerte Leute nur darauf warteten, ihm nach seinem Ableben eine saftige Rechnung zu präsentieren.
In seinen Träumen sah er sie manchmal vor sich.
Leichenblasse Arme, die nach ihm griffen und ihn in einen finsteren Abgrund hinabzogen, lippenlose, von schwarzen Zahnstummeln starrende, weit aufgerissene Münder, die voller Hass seinen Namen riefen und ihm das drohende Strafgericht ankündigten…
Die Lösung des Problems lag auf der Hand:
Er durfte einfach nicht sterben.
Was leichter gesagt als getan war, schließlich wurde er auch nicht jünger.
Sein Geist mochte sich auflehnen, doch am Ende war sein Wille nicht mehr als ein hoffnungslos ausharrender müder Streiter in der verfallenden Festung seines Körpers, belagert von einem übermächtigen Feind.
Ein abfallender Unterkiefer oder eine verlorene Kniescheibe konnten wieder angeschraubt, ausfallende Zähne ersetzt, aus den Höhlen kullernde Augäpfel wieder festgeklebt werden, aber auf die Dauer vermochten auch seine nekromantischen Künste die Verfallserscheinungen seines Leibes, die Vorboten des Todes, nicht aufzuhalten.
Längst hatte sich Irenicus Dunkelblut in etwas verwandelt, das sich kaum von den untoten Kreaturen unterschied, mit denen er von Berufs wegen zu tun hatte.
Unter seiner leichenblassen Haut traten die morschen Knochen hervor, das Licht seiner Augen war lange erloschen und sein kahler Schädel glich einem Totenkopf.
Aber noch immer weigerte er sich, zu sterben.
Sein ständiges Ringen mit dem Tod hatte eine tiefe Paranoia in seinem ausgetrockneten Gehirn verwurzelt.
Aus aktiveren Zeiten verfügte er noch über genügend Geldmittel, um sich eine kleine Privatarmee von Handlangern und Schergen zu halten, die überall für ihn spionierten und nach vermeintlichen Verschwörern und Auftragsmördern Ausschau hielten, die ihm nach dem Leben trachteten. Dunkelblut hatte sich in seinem langen, langen Leben nicht nur unter den Göttern und Toten viele Feinde gemacht.
Weil er für die Entlarvung und Ausschaltung derartiger Bedrohungen großzügige Prämien zahlte, waren seine Schergen häufig etwas eifriger bei der Sache, als unbedingt nötig gewesen wäre – einer der Gründe, warum sich der greise Totenbeschwörer in Schattensund und Umgebung nicht gerade allzu großer Popularität erfreute.
»Meister!«
Irenicus fuhr herum.
»Weiche von mir!«, stieß er heiser hervor und machte ein nekromantisches Abwehrzeichen gegen die verschwommene Gestalt, die urplötzlich im Zimmer erschienen war. »Du wirst mich niemals kriegen! Hörst du! Niemals!«
Quolog, der Ghuldiener, seufzte.
In letzter Zeit waren die paranoiden Anfälle seines Meisters immer schlimmer geworden – überall witterte er den Tod, sah er Feinde, die ihm nach dem Leben trachteten. Seine Kurzsichtig- und Harthörigkeit machten es nicht gerade leichter, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.
»Ich bin es, Meister, Euer Diener Quolog!«, rief der Ghul so laut er konnte.
Irenicus holte eine Brille aus der Tasche
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