Totentrickser: Roman (German Edition)
tragen mit Vorliebe schwarze Lederklamotten, hören schwermütige Lautenmusik und erzählen sich abends am Kamin, wenn die Dunkelheit durch die Fenster hereinblickt, deprimierende Gruselgeschichten, in denen am Ende alle sterben, weil das nun mal der grausame Lauf der Welt ist.
»Da wären wir also«, sagte Brom. »Schattensund, die gruftigste Stadt des Kontinents.«
Sie trugen ihre Winterkleidung, denn ein kalter Wind wehte von der See und wirbelte ihnen Schneeflocken entgegen. Nenia war in eine dicke Felljacke aus schwarzem Schreckenswolfpelz eingepackt, unter deren Kapuze nur ihre Augen hervorfunkelten.
»Auf Thanatos’ Liste steht keine genaue Adresse«, sagte Selphyne. »Nur dass Irenicus Dunkelblut in Schattensund wohnen soll.« Sie wandte sich an Nenia. »Weißt du irgendetwas über deinen Großonkel, das uns helfen könnte, ihn zu finden?«
»Papa hat gesagt, dass Onkel Dunkelblut auch ein Totenbeschwörer ist und außerdem ein seniler alter Knacker mit Verfolgungswahn.«
»Hm«, machte Falfnin. »Wenn er wirklich so ein paranoider alter Zausel ist, wie Nenia sagt, sollten wir vielleicht mit Fingerspitzengefühl vorgehen, wenn wir nach ihm suchen. Totenbeschwörer können ja recht heikel sein.«
Sie blickten sich um.
Die meisten Häuser von Schattensund waren aus schwarzem Vulkangestein erbaut, was der Stadt ein düsteres und ominöses Erscheinungsbild verlieh.
»He«, meinte Brom, »da drüben ist eine Taverne.«
Er zeigte auf ein freudlos aussehendes Gebäude, über dessen Tür ein Schild mit der Aufschrift Zum Letzten Becher im kalten Winterwind hin und her schwang.
»Da drin bekommen wir sicher ein paar Informationen«, sagte Brom.
»Ganz sicher nicht!«, versetzte Selphyne. »Das Einzige, was du da drin kriegst, ist ein Mordsrausch und eine Zimmer-Reservierung für die Ausnüchterungszelle. Ich wäre dir außerordentlich verbunden, wenn du uns die Peinlichkeit diesmal ersparen könntest.«
»Irgendwie muss man ja mit den Einheimischen ins Gespräch kommen, wenn man was von ihnen wissen will. Ein oder auch zwei Gläschen können dabei nicht schaden.«
»Zwanzig bis fünfunddreißig Gläschen dagegen schon.«
»Wie wäre es, wenn wir uns aufteilen«, schlug Falfnin vor. »Brom und Bolgur versuchen es in der Taverne, und Nenia, Selphyne und ich sehen uns anderswo in der Stadt um.«
Selphyne seufzte.
»Na schön. Wir treffen uns dann nachher auf der Wache bei der Ausnüchterungszelle.«
»Entgegen aller Unkenrufe«, sagte Brom würdevoll, »habe ich meinen Alkoholkonsum sehr wohl unter Kontrolle.«
»Ha ha«, lachte Selphyne sarkastisch. »Der war gut.«
In einem Turmgemach irgendwo in Schattensund lag ein aufgeschlagenes Buch mit einem schwarzen Einband aus Vampirleder.
Es war das Hauptwerk des Arztes und Totenbeschwörers Nechalziel, des Geschmähten, und trug den Titel: Vom ewiglichen Leben und wie man es erlanget.
Und Folgendes hatte Nechalziel zu diesem Thema zu sagen:
Um zu erhalten Leben ewiglich, bedarfst du Viererlei.
Erstens: Dreißig Unzen vom Eisen eines Meteors, welcher einen Priester erschlagen.
Zweitens: Einen guten Liter Tränen einer Trauerfee.
Drittens: Eine Jungfrau, geboren unter den gleichen Sternen, die auch bei deiner eigenen Geburt am Himmel geglänzt.
Viertens: Meine genialigliche Erfindung, den Revitalisator Jungbrunnen (zum Patent angemeldet), getreulich und in allen Einzelheiten beschrieben in Anhang C.
Die Gäste des nachtelfischen Szene-Clubs Zum Letzten Becher kamen nicht in der Absicht, eine gute Zeit zu haben.
Sie kamen auch nicht wegen der vergünstigten Preise während der Happy Hour, die hier auch gar nicht so hieß, sondern Viertelstunde der nihilistischen Einsicht in die totale Sinnlosigkeit des Daseins.
(Während dieser fünfzehn Minuten kosteten die Getränke das Achtfache, aber man trank und bezahlte trotzdem weiter, weil ja sowieso alles egal war.)
Sie kamen, um sich einsam in der Masse zu fühlen.
Sie kamen, um diesen ganz besonderen Kick der Entfremdung und Verlorenheit zu spüren, um den schalen Geschmack der vergeblichen Hoffnung auf Erlösung zu kosten.
Sie kamen, um ganz woanders sein zu wollen, aber nicht zu wissen, wo.
»Ziemlich merkwürdige Stimmung in dem Laden«, meinte Brom.
Die meisten Gäste des Letzten Bechers, saßen an Einzeltischen und blickten trübselig in ihre Gläser, einige führten in kleineren Gruppen philosophische Gespräche über die Überflüssigkeit der Welt.
Und ein paar Enthusiasten tanzten in
Weitere Kostenlose Bücher