Totentrickser: Roman (German Edition)
die gefesselte Gestalt auf dem Revitalisator. »Ich bin wirklich keine Jungfrau. Siehst du das hier? Das ist mein Ehering. Seit dreiundzwanzig Jahren verheiratet, obwohl es mir manchmal doppelt so lang vorkommt.«
»Ruhe!«, befahl Irenicus Dunkelblut und wandte sich an Quolog, den Ghuldiener. »Wir machen weiter wie geplant. Wo sind die Trauerfeetränen?«
»Hier, Meister«, krächzte der Ghul.
»Ausgezeichnet.« Dunkelblut rieb seine Hände. »Dann lass uns anfangen.«
Hakon Zwingenschmied, ehemaliger Vertreter von Stechli & Kreysch und seit kurzem Außendienstmitarbeiter bei Scrupel & Lohs, seufzte resigniert.
»Das war das letzte Mal, dass ich mich mit Totenbeschwörern eingelassen habe«, schwor er feierlich. »Ganz ernsthaft.«
»Da wären wir«, sagte der Fischer, nachdem sie bei der Insel angelegt hatten. »Jetzt gebt mir das Geld, damit ich von diesem verfluchten Ort verschwinden kann!«
Hohe Wellen brandeten gegen das felsige Ufer und überschütteten sie mit einem eisigen Sprühregen.
»Alles zu seiner Zeit«, antwortete Selphyne. »Erst erledigen wir, was wir hier zu erledigen haben, dann bekommst du deine Bezahlung. Schließlich brauchen wir jemanden, der uns nachher zurückfährt.«
»Was? So war das nicht vereinbart! Ich will jetzt sofort mein Geld! Keine Sekunde länger bleibe ich auf dieser Insel!«
»Wenn du dich da mal nicht irrst …«
»Ihr elenden Betrüger«, schrie ihnen der Fischer hinterher. »Ihr abgefeimten, skrupellosen Verbrecher!«
Er war mit einem dicken Tau an den Mast seines Bootes gefesselt.
»Er scheint gar nicht verstanden zu haben, dass wir Helden sind«, bemerkte Falfnin, während sie auf die bedrohliche Residenz des Totenbeschwörers zugingen. »Sonst würde er uns wohl kaum als Verbrecher und Betrüger beschimpfen.«
»Manche Leute sind eben schwer von Begriff«, entgegnete Selphyne.
Vor dem Tor erwartete sie eine Abordnung nachtelfischer Nekromantenschergen.
»Sieh an«, lachte ihr Hauptmann, zwei knurrende, geifernde Zombiehunde an der Leine haltend, »Nachschub für den Folterkeller!«
»Freut euch lieber nicht zu früh«, sagte Falfnin.
»Genau«, pflichtete Selphyne bei. »Hebt euch das für nach dem Konzert auf.«
Der Nachtelfenhauptmann runzelte die Stirn.
»Was?«, fragte er irritiert.
»Deine Bühne«, lächelte Selphyne mit einer Verbeugung in Nenias Richtung.
Die kleine Nachtelfe trat vor.
Fünfzehn Sekunden später wälzten sich fünfundzwanzig Nachtelfen und zwölf Zombiehunde in einem ganz schweren kollektiven Tinnitus-Anfall auf dem Boden.
»Schrecklich«, kommentiere Falfnin diesen mitleiderweckenden Anblick. »Aber sehr effizient. Kann Nenia nicht doch bei uns bleiben? Ich finde, sie wäre eine echte Bereicherung für die Gruppe.«
»Das Abenteurerleben ist nichts für ein kleines Kind«, wiederholte Selphyne und blickte an der düsteren Behausung des Totenbeschwörers empor. »Aber hier kann sie auch nicht bleiben. Ich weiß gar nicht, was wir uns dabei gedacht haben herzukommen.«
»Ich will jetzt meine zwei Armbrüste!«, forderte Nenia.
»Später«, sagte Selphyne. »Erst mal befreien wir unsere Freunde.«
Sie horchte auf.
»Was ist das denn?«
Es war ein lang gezogener Klagelaut, Ausdruck ohnmächtigster, hoffnungslosester Verzweiflung, der aus einem vergitterten Kerkerfenster kam.
»Huuuuu-hu-hu-hu-huuuuuuuuuu!«
Es hörte sich wie ein Verliesgespenst an, das vergessen hatte, seine Antidepressiva zu nehmen.
»Ist das … Bolgur?«, fragte Selphyne ungläubig.
Falfnin ballte die Fäuste. »Ich schwöre: Wenn dieser Irencius ihm auch nur eine Borste gekrümmt hat, erwartet ihn ein Wunschkonzert der ganz besonderen Art. Ob er jetzt Nenias Großonkel ist oder nicht.«
»Bolgur! Brom! Hört ihr uns?«, rief Selphyne.
»Laut und deutlich!«, antwortete die Stimme des Zwergenkriegers durch das Gitter. »Schön, dass ihr es auch noch geschafft habt!«
»Haltet durch«, rief Falfnin. »Wir kommen zu euch.«
»Alles in Ordnung bei euch?«, fragte Selphyne, als sie die Zelle ausfindig gemacht hatten, in der Brom und Bolgur eingesperrt waren.
»Wie man’s nimmt«, antwortete Brom von drinnen. »Bolgur ist irgendwie sein Lebenssinn abhanden gekommen, und mich beschleichen auch so langsam ernsthafte Zweifel. Aber sonst geht es uns gut.«
»Da kommt Wasser unter der Tür durch«, sagte Falfnin und zeigte auf die Pfütze, die sich vor der Türschwelle gebildet hatte.
»Stimmt, das Wasser hab ich ganz vergessen zu erwähnen.
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