Totentrickser: Roman (German Edition)
gefährlich werden!«
Selphyne konzentrierte sich, und ein gleißender Lichtstrahl schoss aus ihrem Zeigefinger, wurde von Broms Fesseln reflektiert wie von einem Spiegel, traf auf die Tür, wurde auch von dort zurückgeworfen und zischte in Bolgurs Richtung.
»Verdammt«, sagte Selphyne und brach den Zauber ab. »Die Ketten sind aus antimagischem Stupidium. Keine Chance, da mit Magie etwas auszurichten.«
»Au«, stöhnte Bolgur, etwas verspätet.
Die Zauberin wandte sich zu ihm um.
»Oh, das tut mir leid, Bolgur. Falfnin, wir brauchen nachher noch mal dein chirurgisches Notfallset!«
Der durch unzählige Kriegsnarben gezeichnete Ogerbarbar blickte mit stoischer Miene auf seine Handfläche, auf der sein linker kleiner Finger lag, von dem magischen Lichtstrahl glatt abgetrennt.
»Bewahr ihn gut auf«, meinte Brom. »Ein bisschen Arbeit mit Nadel und Zwirn, und du kannst ohne Probleme noch eine zweite Karriere als Lautenvirtuose starten.«
»Geschafft!«, verkündete der Meisterdieb jenseits der Tür. »Das war ganz große Diebeskunst!«
»Du bist fertig?«, rief Selphyne. »Wurde auch höchste Zeit! Noch ein bisschen länger, und für Brom hätte es schlecht ausgesehen.«
»Ähm, ach so«, entgegnete Falfnin, nicht mehr ganz so triumphal gestimmt. »Ja, die gute Nachricht ist, dass ich tatsächlich mit dem ersten Schloss fertig bin. Die vielleicht nicht ganz so gute, dass da noch sieben weitere kommen …«
»Na … bllb… toll«, blubberte Brom, mit dem Mund bereits unter Wasser.
Selphyne blickte sich suchend in der Zelle um.
»Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe …«
Sie watete zu Bolgur.
»Du musst deine Ketten zerreißen, Bolgur! Du kannst es. Erinnerst du dich an unser Abenteuer in den Verliesen von Molgbrant? Da hast du es auch gekonnt!«
»Aber damals war ich jünger und noch nicht so desillusioniert«, sagte Bolgur und ließ trübselig den Kopf hängen. »Heute hab ich alle Hoffnung verloren.«
»Jetzt mach hier nicht den Trauerkloß!«, rief Brom, den Kopf mühsam über Wasser haltend. »Wenn du nicht endlich deine … bllbb … Barbarenogerhinterbacken zusammenkneifst und mit dem Jammern aufhörst, war’s das gleich mit … bllbb… mir!«
»Ich versuch es ja«, sagte Bolgur müde und zog halbherzig an seinen Ketten. »Seht ihr? Es hat keinen Zweck. Ach, es ist alles so sinnlos.«
Er seufzte tief auf.
»Ich fasse es nicht!«, schnaubte Selphyne. »Was ist bloß los mit dir?«
Dann bemerkte sie, dass Broms Kopf bereits unter der Wasseroberfläche verschwunden war.
»Brom!«, rief sie und schwamm zu ihm hin.
Sie atmete tief ein und tauchte unter.
Und plötzlich fühlte Brom ihre Lippen auf den seinen und atmete die Luft, mit der sie ihre Lungen für ihn gefüllt hatte.
Atemlos und keuchend tauchte sie wieder auf.
»Ehrlich, Bolgur«, hustete sie, »ich werd echt sauer, wenn du dich nicht gleich zusammenraufst und uns hilfst!«
»Aber woher soll ich die Kraft nehmen …?«
»Das ist mir ganz gleich. Denk an irgendwas, für das es sich lohnt weiterzuleben.«
Sie tauchte wieder unter.
»So«, sagte Falfnin, »das wäre Schloss Nummer vier. Die Hälfte haben wir also schon.«
Etwas knackte und knirschte.
»Was war das?«, fragte der Meisterdieb. »Hat sich fast wie ein weiterer Fallenmechanismus angehört. Gebt mir mal eine Ansage, ob sich bei euch was verändert hat.«
Die Zellenwände hatten begonnen, sich langsam aufeinander zuzubewegen.
»Etwas, für das es sich lohnt weiterzuleben«, murmelte Bolgur nachdenklich. »Aber da ist nichts. Nichts …«
»So ein Quatsch!«, rief Selphyne, die soeben wieder prustend aufgetaucht war. »Jeder hat irgendwas, das seinem Leben einen Sinn verleiht. Für Falfnin ist es kostbarer Schmuck, der anderen Leuten gehört …«
»Und galante Verwicklungen , nicht zu vergessen!«, ergänzte der Wichteldieb von draußen.
»… ich liebe Zauberei, Schöne Literatur und tiefsinnige Gespräche im Mondschein und Brom …« Sie unterbrach sich. »Moment, da gehört ein Komma vor das und : tiefsinnige Gespräche im Mondschein, und Brom mag … naja, Brom mag vor allem Finsterklammer Zwitscherer, was nicht der Ironie entbehrt. Also, was treibt dich dazu an, morgens aufzustehen?«
Sie holte Luft und tauchte unter.
»Was bringt mich dazu, morgens aufzustehen …« wiederholte Bolgur. »Was bringt mich dazu …«
Plötzlich hellte sich seine Miene auf.
»Ich mag es, Leute mit meiner Keule zu hauen!«
»Na also!«, rief Selphyne, an
Weitere Kostenlose Bücher