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Toter geht's nicht

Toter geht's nicht

Titel: Toter geht's nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faber Dietrich
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Kaffeeautomaten einen Cappuccino zieht, habe ich das erste Mal seit unserem Techtelmechtel vor einer Woche ansatzweise Lust auf eine Wiederholung. Das wäre die Art Unternehmung, die mir nun in den Kram passte. Stattdessen redet Teichner auf mich ein. Ich höre nicht zu.
    «Ja, was denn nun?», fragt er plötzlich.
    «Hmm, wie?», schrecke ich aus meinen Gedanken hoch, die sich gerade um Miriam drehten und zwar darum, dass eine gepflegte Knutscherei auch genügen würde, mir sogar besser gefiele. Dann wieder das Gegenprogramm: Teichner.
    «Sollten wir nicht mal hinfahren?», fragt er.
    «Wohin?»
    Teichner verdreht die Augen. «Zu Frank Drossmann. Er ist am Freitag und heute nicht bei seiner Arbeit im Finanzamt erschienen. Hat sich nicht krankgemeldet und ist zu Hause nicht erreichbar.»
    «Aha», sage ich. «Das ist wirklich seltsam.»
    «So to say.»
    «Bitte?»
    «Will meinen: sozusagen.»
    «Ach so, ja.»
    Meine Güte, wie stark Teichner heute Morgen wieder riecht! Ich glaube, ich muss es ihm mal sagen. Jeder hat das Recht, auch mal unschön zu duften, finde ich. Aber immer und jeden Tag? Da sollte man ihn doch einmal höflich auf die segensreiche Erfindung des Deodorants hinweisen. Er selbst scheint überhaupt nicht zu merken, wie er den Grundgeruch unseres Büros prägt. Im Gegenteil, er beschwert sich unentwegt über die Fürze Berlusconis, die wiederum ich kaum mehr wahrnehme.
    «O.k.», sage ich dann. «Miriam und ich fahren gleich mal zu Klaus Drossmann nach Gießen. Du, äh, bist hier wichtig, Teichner. Wäre super, wenn du hier die Stellung hältst und …»
    Tja, und … Nichts und. Wenn mir nur einfiele, was er nur Sinnvolles machen könnte. Ich lasse ihn stehen und sage einfach: «Danke.»
    Besser als gar nichts.
     
    Knapp eine Stunde später bin ich mit Miriam Meisler auf dem Weg nach Gießen. Wir hören im Auto grungige Musik über Miriams MP3-Player. Ich tue so, als gefiele mir das, und fühle mich dadurch jünger.
    «Wenn der Drossmann jetzt nicht da ist», sagt Miriam, «dürfen wir dann in seine Wohnung einbrechen und uns dort umsehen?»
    «Ich denke, ja.»
    «Haben wir denn diesen Durchsuchungsdings?»
    «Nee, aber man kann es so sehen, dass Drossmann vermisst wird. Auch wenn ihn, außer in seinem Finanzamt, nicht wirklich jemand vermisst. Zusätzlich ist es immer noch denkbar, dass er etwas mit dem Mord an seinem Vater zu tun hat. Oder dass er jedenfalls etwas weiß, was wir nicht wissen, aber wissen sollten. Was denkst du über ihn?»
    Miriam dreht die Musik leiser. «Ich glaube, dass er unter seinem Alten gelitten hat. Ich glaube auch, dass er deswegen einen Sprung in der Schüssel hat, jedenfalls ist er sozial etwas unterbelichtet. Ich frage mich, warum er nicht mit uns zusammenarbeitet. Er räumt den Probenraum seines Vaters aus, nimmt das alles mit zu sich nach Hause, sucht nach der fehlenden Digitalkamera, obwohl er genau weiß, dass wir auch auf der Suche sind. Warum macht er diese Alleingänge? Warum ruft er bei der Mörtelspecht in der Agentur an und will wie sein Vater mit Herr Bärt sprechen? Warum überlässt er uns das nicht? Warum vertraut er uns nicht?»
    «Tja», sage ich.
    Wir erreichen Gießen. Gießen ist für Vogelsberger und Wetterauer die Topmetropole. Hier fährt man an verkaufsoffenen Sonntagen ins Industriegebiet zum Einkaufen und hat nachher das Gefühl, mal richtig was erlebt zu haben. Am nördlichen Stadtrand, direkt an der vielbefahrenen Marburger Straße, wohnt Frank Drossmann in einem achtstöckigen Mehrfamilienhaus. Man kann hübscher wohnen, denke ich mir, nachdem ich das Auto am Seitenstreifen geparkt habe. Miriam und ich warten geschätzte zehn Minuten, bis wir eine Chance sehen, die Straße zu überqueren.
    Die Haustür des Wohnklotzes ist angelehnt. Wir benutzen den kleinen Aufzug, der vermutlich kurz nach dem Krieg eingebaut wurde und bedenklich rattert. Jedes Mal, wenn ich Aufzug fahre, stelle ich mir vor, wie es wäre, in diesem Moment stecken zu bleiben. Ich schaue mir die Menschen an, mit denen ich dann die nächsten Stunden auf engstem Raum zu verbringen habe, und überlege, wer dann den Götz George gibt, durch Deckenplatten klettert, sich mit verschwitzten Muskeln an Drahtseile hängt und am Ende alle rettet. Da wir nur zu zweit fahren, müsste diesmal Miriam diese Rolle übernehmen. Zum Glück öffnet sich im von uns angewählten 6. Stock die Tür ohne Probleme.
    Wir klingeln an Frank Drossmanns Wohnungstür. Wie erwartet, ist er nicht da.

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