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Toter geht's nicht

Toter geht's nicht

Titel: Toter geht's nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faber Dietrich
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Jedenfalls öffnet er nicht die Tür. Ich wähle seine Telefonnummer. Es klingelt drinnen. Keiner hebt ab.
    Nun kommt der Moment, auf den ich so gewartet habe. Ich werde zum ersten Mal eine Tür eintreten. Jawohl. Das lasse ich mir nicht nehmen. Ich habe das vorher noch nie getan. Selbst als Streifenpolizist während meiner Ausbildungszeit in Frankfurt habe ich immer den Kollegen den Vortritt gelassen. Jetzt ziehe ich das durch, auch wenn Miriam irgendetwas von «Hausverwaltung anrufen» faselt. «Ach was», sage ich und trete mit Karacho gegen die Wohnungstür. Nichts tut sich. Miriam grinst mal wieder. Ich trete noch einmal. Wieder tut sich nichts. Nur mein Knie tut weh. O.k., denke ich mir, ich kann auch anders. Dann renne ich mit vollem Anlauf Schulter voraus gegen die Tür. Und pralle ab. Wie ein Medizinball, den man gegen eine Gummiwand wirft.
    Ich lande. Unsanft. Unsexy. Unmännlich.
    Ich sitze auf dem Hintern und tu so, als würde mein Oberarm nicht schmerzen. Miriam schiebt derweil ihre EC-Karte in den Türrahmen und öffnet die Tür. Ich lasse mir von ihr nicht auf die Beine helfen und folge ihr betont nicht humpelnd in die Wohnung. Dann höre ich Miriams Stimme aus der Küche. «Oh Scheiße, Henning, komm mal.»
Ein Vatermord also
Ja, sieht sehr danach aus, und ich bin auch noch in gewisser Weise froh darüber. Muss man sich dafür schämen?
Wieso bist du darüber froh?
Na ja, ich bin erleichtert, dass wohl nun alles vorbei ist. Dass ich keinen Mörder mehr finden muss. So ist das Ding nun geklärt. Zwar nicht von mir, sondern durch den Lauf der Dinge selbst. Aber egal. Ein Glück, so zynisch das klingt. Es bleibt einfach dabei: Ich bin als Polizist in Leitungsfunktion völlig deplatziert … obwohl ich mir diesmal wirklich Mühe gegeben habe.
Ich verstehe nicht, warum du Hauptkommissar bist, wenn es dir so gegen den Strich geht.
Mir ist nichts Besseres eingefallen. Es war damals der einfachste Weg.
Und jetzt ist es das aber wohl nicht mehr. Was würdest du denn stattdessen gerne machen?
Wenn ich das wüsste.
Wäre aber nicht das Dümmste, darüber mal nachzudenken, oder?
Ich bin fast 40.
Na und?
Außerdem, was soll das hier jetzt? Bist du meine Therapeutin, oder was?
     
    Zehn Minuten warte ich nun schon vergeblich auf die nächste Nachricht. Ich fürchte ein wenig, Sandra könnte beleidigt sein. Dann aber:
Was ist mit deiner Frau? Möchtest du überhaupt noch, dass sie wiederkommt?
     
    Diesmal warte ich zehn Minuten.
Ja und nein. Wenn ich ehrlich bin, wünsche ich mir, dass sie wiederkommt. Nur sollte sie dann irgendwie anders drauf sein, als zuletzt jedenfalls. Oder so, wie sie früher einmal war.
Wie war sie denn?
Nicht so negativ jedenfalls.
Und du? Du bist nicht negativ?
O.k. Punkt jetzt mal. Was ist mit dir?
Was soll mit mir sein?
Du bist jetzt dran. Was ist mit dir? Schreib mir was von deinem Leben! Warum so ein Rückzug? Jetzt erzählst du zur Abwechslung mal, und ich mache schlaue Kommentare.
Bin ich dir zu nahegetreten, oder was?
Nein … na ja, weiß nicht, keine Ahnung. Eigentlich mag ich das, wenn du mir zu nahetrittst … Aber ich will einfach auch mal etwas von dir erfahren.
Ich konnte so, wie ich damals lebte, nicht weiterleben. Daher musste ich weggehen und das tun, was ich hier oben mache.
Wie hast du denn vorher gelebt? Wieso konntest du so nicht weiterleben?
Das kann ich dir nicht sagen. Jedenfalls nicht jetzt.
Warum nicht?
Weil du ein Bulle bist!
Ich? Na ja, vielleicht nach außen. Innerlich bin ich alles andere als ein Polizist.
Los, schieß jetzt los, was hast du verbrochen?
Henning, es geht wirklich nicht. Außerdem vertraue ich Facebook nicht und weiß nicht, wer das hier alles mitliest.
Es gibt auch andere Wege. Ich habe eine Mailadresse oder eine Handynummer.
Ich möchte nicht. Ich meine es ernst.
O.k. Aber dann …
     
    «Echt, er hier, voll der Suchti», höre ich urplötzlich aus dem Hinterhalt eine höhnische Mädchenstimme.
    Meine Tochter steht in der offenen Tür meines Arbeitszimmers. Blitzschnell logge ich mich aus.
    «Wie, was?», antworte ich.
    «Du hängst ja nur noch am Compi. Super Vorbild, Alter. Bei mir wird immer gemotzt.»
    «Na ja, äh, ich muss halt arbeiten. Das ist was anderes, außerdem bin ich ja wohl auch erwachsen.»
    «Joohhh, klar, in Facebook chatten, geile Arbeit, muss ich sagen. Mach ich später auch mal, ich schwör …»
    Ein leises Gefühl der Peinlichkeit übermannt mich.
    «Wie lange stehst du denn da schon?», frage ich

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