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Toter geht's nicht

Toter geht's nicht

Titel: Toter geht's nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faber Dietrich
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Es hat sich nichts verändert, seit vor 31 Jahren meine Oma hier Kaffee Hag trank und mir eine Kaba ausgab. Es hängen noch die gleichen weißen Gardinen an den Fenstern, der beige-gelbe Teppich hat von seiner abgrundtiefen Hässlichkeit nichts eingebüßt, und auch das rosageblümte Geschirr hat die vergangenen Jahrzehnte unversehrt überstanden. Auf jedem Tisch steht jeweils eine rundliche, kleine Musikbox, aus der Jahr für Jahr ein Zug nach Nirgendwo fährt. Es könnte eine hippe Bar mit Retro-Konzept sein, ist es aber nicht.
    Das Durchschnittsalter der Gäste ist gleichbleibend hoch. Durch meine Anwesenheit wird es am heutigen Vormittag auf geschätzte 76 gedrückt. Fast rutscht mir ein «Fräulein» heraus, als ich die Bedienung, die mir als Kind oft Smarties aus ihrer verschwitzten Hand in den Mund stopfte, zu unserem Tisch rufe. «Einen doppelten Espresso, bitte.»
    Fräulein Kellnerin schaut mich mit großen Augen an.
    «Jetzt muss isch dochemal nachfraache. Neulisch war aach schon mal einer da, wo so was bestellt hat. Dobbelte Exbresso … was ist das einklisch genau?»
    «Na ja, äh, doppelter Espresso halt», antworte ich. «Das Zweifache sozusagen.»
    «Aha. Also dann mach ich statt einem Löffel zwo Löffel rin, oder wie?»
    «Ja, so … wohl.»
    Mein Vater schüttelt unentwegt seinen Kopf.
    «Also net dobbelt so stakk, sonnern doppelt so viel, gelle?»
    «Ja.»
    «Isch mein, ich mach unsern Kaffee eh immer dobbelt so stakk, wenn einer einen Exbresso habbe will. Wenn ich den dann noch stärker mache tät … ui ui ui.»
    Aaaaniiitaaaa , kommt es nun knarzig aus dem Tischlautsprecher herausgeknödelt.
    «Wolle Sie das dann in einer Tass oder in zwo?»
    «In einer», sage ich geduldig und bewundere dabei den Impfpunkt, der auf ihrem fleischigen Oberarm so schön zur Geltung kommt. «Und schwarz, bitte.»
    «Alles klar, also einmal schwazz dobbelt. Mit Milsch oder Sahne?»
    Schachmatt durch die Dame im Spiel , trägt nun Roland Kaiser zu der Unterhaltung bei.
    «Nein, bitte ohne Milch und ohne Sahne», sage ich. «Nicht wie Udo Jürgens …»
    «Ohne Milsch und ohne Sahne? Das wird dann aber stakk», sagt sie darauf, macht dann noch einmal «Ui ui ui ui ui» und verlässt unseren Tisch.
    «Mein Herr Sohn muss wie immer Extrawünsche haben», sagt mein Vater, und ich bin äußerst erleichtert, dass ich mich heute in der Lage sehe, über Bemerkungen dieser Art milde schmunzeln zu können.
    Ich sammle mich und beginne das Gespräch.
    «Ich danke dir, dass du dir so kurzfristig Zeit genommen hast. Es gäbe da nämlich in Zusammenhang mit dem Drossmann-Mord ein paar Fragen an dich. Also …»
    «Ist dem Sohnemann dann doch noch ein Licht aufgegangen, dass es nicht unbedingt verkehrt sein muss, auf das kriminalistische Know-how seines Vaters zurückzugreifen?»
    «Nee, es ist anders …» Ich halte kurz inne und denke darüber nach, dass «Know-how» auch Englisch ist, entscheide mich aber, meinen Vater nicht darauf hinzuweisen.
    «Nein, es ist anders», beginne ich noch einmal meinen Satz. «Die Fragen, die ich dir stelle, sind Teil der Ermittlungen. Ich suche also bei dir jetzt nicht nach Rat, sondern eher nach Antworten, die Klaus Drossmann betreffen.»
    «Dann ist ja gut», sagt mein Vater, und ich bin nicht sicher, ob er mir zugehört hat. Gedankenverloren blickt er aus dem Fenster.
    «Papa. Ich war gestern bei Hans-Erwin Möller in Schotten. Du weißt noch, wer das ist?»
    «Na hör mal, du redest mit mir, als wäre ich ein seniler alter Mann. Natürlich weiß ich noch, wer das ist. Was ist mit ihm?»
    «Mit ihm direkt ist nichts, er hat nur …»
    «Warum fragst du dann?»
    «Weil …»
    Fräulein Kellnerin bringt mir eine Tasse mit schwarzer Flüssigkeit. Daneben stellt sie ein Fläschchen mit flüssigem Natreen-Süßstoff.
    Ich setze wieder an. «Also, ich war gestern bei Hans-Erwin Möller und …»
    «Das sagtest du bereits. Was willst du über ihn von mir wissen?»
    «Nichts. Ich will …»
    «Dann frage ich mich, warum du hergehst und mich nach ihm fragst.»
    Ich schaffe es doch nicht, denke ich und spüre, wie sekündlich die Energie aus meinem Körper weicht. Ein letzter Versuch muss sein.
    Ich suche den Blickkontakt zu meinem Vater und sage: «Bitte vergiss jetzt mal einen Moment, dass ich dein Sohn bin. Ich bin jetzt mal nur der Kriminalhauptkommissar Henning Bröhmann, o.k.? Lass dann bitte jetzt auch noch den Polizeipräsidenten a.D. raus aus der Sache. Du bist jetzt nur mal der

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