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Totes Zebra zugelaufen

Totes Zebra zugelaufen

Titel: Totes Zebra zugelaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ball
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Jahre in einem Nudistencamp gelebt hat und die menschliche Anatomie ungefähr mit den gleichen Augen betrachtet wie ein Paar Schuhe. Nehmen Sie weiter an, sie hätte vor, Medizin zu studieren. Und nehmen Sie zu guter Letzt noch an, sie hätte das Bestreben, Neues zu lernen, wann immer sich die Gelegenheit bietet. Was dann?«
    Tibbs preßte die Lippen zusammen. Seine Mundwinkel zuckten. Linda folgte ihm, als er wieder zu dem Toten trat. Sie stand zwei Meter hinter ihm, als die Decke entfernt wurde. Trotz ihres selbstsicheren Auftretens war sie doch nicht ganz sicher, wie sie reagieren würde. Sie strengte sich an, ganz auf die Untersuchung zu achten und alle anderen Gedanken auszuschalten. Sie wollte einmal feststellen, wieviel sie selbst entdecken konnte.
    Das Alter des Mannes schätzte sie auf fünfzig. Sein Haar war erst kürzlich geschnitten worden, von einem guten Friseur. Das bedeutete wahrscheinlich, daß er nicht gerade ein Hinterwäldler war. Sein Gesicht war rundlich und glatt rasiert. Trotz der Maske des Todes, die darüber lag, vermutete sie, daß er ein angenehmer Mensch gewesen sein mußte. Wenn er mit seiner Familie ans Tor gekommen wäre, um sich um Mitgliedschaft zu bewerben, dann hätte sie ihn bis zum Parkplatz fahren lassen und dann ihren Vater gerufen. Einem plötzlichen Einfall folgend richtete sie den Blick auf seine Fingernägel. Sie waren sauber und gepflegt. Er mußte Geschäftsmann gewesen sein — oder etwas in dieser Richtung.
    Sie musterte seinen Körper. Deutlich hoben sich die helleren Spuren, die seine Badehose hinterlassen hatte, von der Bräune der Haut ab. Es mußte eine Dreieckshose gewesen sein. Rechts sah sie die Narbe einer Blinddarmoperation.
    Der farbige Kriminalbeamte kniete neben dem Toten. Hier und dort drückte er die Finger in den erkalteten Körper, und einmal schob er die Kiefer auseinander und sah in den Mund des Toten. Linda gestand sich ein, daß sie das nur mit Überwindung hätte tun können. Ihr Schwarm für das Medizinstudium, der von Beginn an nicht allzu intensiv gewesen war, verblaßte noch mehr.
    Tibbs stand auf. »Sie können ihn jetzt wegbringen«, wandte er sich an den Sanitäter. »Ich weiß noch nicht, ob man mir den Fall übertragen wird. Wenn ja, dann schicken Sie mir bitte den Bericht des Labors und den Obduktionsbefund.«
    Der Sanitäter eilte zu seinem Wagen und kehrte mit einer Tragbahre zurück. Gemeinsam mit Tibbs und dem Helfer des Sheriffs hob er den Toten auf die Bahre.
    »Brauchen Sie uns noch?« erkundigte sich Morrissey.
    »Nein, danke«, versetzte Tibbs. »Ich sehe mich hier inzwischen ein wenig um und warte auf meine Anweisungen. Richten Sie meiner Dienststelle bitte aus, daß man mich hier anrufen möchte.« Er wandte sich an Linda. »Steht Ihre Nummer im Telefonbuch?«
    »Natürlich. Wir haben auch eine Anzeige im Branchenverzeichnis.« Sie sagte ihm die Nummer.
    Als die Wagen abgefahren waren, erinnerte sie sich ihrer Pflichten als Gastgeberin. »Kommen Sie doch ins Haus und trinken Sie eine Tasse Kaffee«, forderte sie Tibbs auf. »Dann können Sie gleich die anderen Familienmitglieder kennenlernen.«
    »Ich möchte schon«, antwortete er, »aber erst muß ich mich hier ein bißchen umsehen. Erwarten Sie heute Gäste?«
    »Voranmeldungen haben wir keine, aber ein paar Leute werden schon kommen.«
    Tibbs blickte zum glühenden Himmel auf. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mein Jackett ausziehe?« fragte er.
    »Hier?« gab Linda zurück. »Aber wofür halten Sie uns denn! Natürlich, legen Sie Ihre Sachen auf einen Liegestuhl und machen Sie sich's bequem. Sie können auch schwimmen, wenn es Ihnen nichts ausmacht, daß in dem Becken ein Toter gefunden wurde. Die Dusche ist dort drüben.«
    Seine plötzliche Verlegenheit entging ihr nicht, doch sie verstand sie falsch. »Jetzt sagen Sie bloß nicht, daß meine Anwesenheit ...«
    »Ich sprach nur vom Jackett«, unterbrach Tibbs. »Wir Polizeibeamte haben unsere Vorschriften.«
    »Wir haben auch Vorschriften«, konterte Linda. »Sie sind eine Ausnahme, weil Ihr Besuch amtlich ist.«
    Tibbs zog sein Jackett aus und hängte es über einen Stuhl.
    »Die Krawatte auch«, schlug Linda vor.
    »Ehrenwort, daß Sie da haltmachen?«
    Linda kicherte. »Ehrenwort.«
    Tibbs knüpfte seinen Schlips auf und legte ihn vorsichtig über die Jacke. Er trug ein kurzärmeliges weißes Hemd. Als er den Kragen öffnete, fand Linda, daß er eigentlich gut aussah.
    »Na, ist es so nicht viel bequemer?« fragte

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