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Totes Zebra zugelaufen

Totes Zebra zugelaufen

Titel: Totes Zebra zugelaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ball
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sie.
    »Doch«, gestand Tibbs.
    »Na also.«
    Tibbs lächelte. »Vergeuden Sie Ihre Talente nicht im medizinischen Hörsaal. Wuchern Sie mit Ihren Pfunden: Studieren Sie Jura.«
    »Wie wär's mit einer Laufbahn als Polizeibeamtin?« meinte Linda.
    Tibbs musterte sie eingehend. »Na schön, nehmen wir mal an, sie sind Polizeibeamtin. Sie kennen das Gelände hier und haben gegen meine bessere Einsicht den Toten gesehen. Wie lauten Ihre Folgerungen?«
    Linda holte Atem und konzentrierte sich. Als sie sprach, klang es, als erstatte sie einen amtlichen Bericht. »Der Tote war ein Mann von etwa fünfzig Jahren. Er gehörte nicht der Arbeiterschicht an. Wahrscheinlich war er Geschäftsmann oder höherer Angestellter. Er achtete auf sein Äußeres, war ordentlich und reinlich. Allerdings kein Nudist. Alles in allem bin ich der Meinung, daß er ein anständiger Mensch war.« Sie hielt inne und sah zu dem dunkelhäutigen Kriminalbeamten auf. »Was halten Sie davon?«
    »Nicht schlecht«, bekannte er. »Sie haben recht gut beobachtet. Ich habe den Toten eingehender untersucht als Sie und wesentlich mehr Erfahrung.«
    »Oh? Haben Sie schon viele Mordfälle bearbeitet?«
    Tibbs antwortete ihr geduldig. »Ich bin seit über zehn Jahren bei der Polizei und habe schon mit allen möglichen Verbrechen zu tun gehabt — Erpressung, Raubüberfall, Mord ...«
    »Und Vergewaltigung natürlich.«
    »Mein liebes Fräulein ...«, begann Tibbs.
    »Was ist mir entgangen? Ich meine, an dem Toten«, schnitt ihm Linda rasch das Wort ab.
    Tibbs setzte sich auf die Betonbank am Rand des Beckens und verschränkte die Finger. »Sie bemerkten den Haarschnitt und die Fingernägel und stellten auf Grund der weißen Streifen fest, daß er immer eine Badehose getragen haben muß«, begann Tibbs. »Für den ersten Versuch nicht übel.«
    »Er hat auch eine Blinddarmoperation hinter sich«, fügte Linda hinzu.
    »Gut. Das ist ein wichtiger Punkt. Wenn ich jetzt meiner Phantasie ein wenig die Zügel schießen lasse, dann würde ich noch folgendes hinzufügen: Er hat wahrscheinlich im Ausland gelebt. Vielleicht hat er mit Akzent gesprochen. Man darf annehmen, daß er ein ausgezeichneter Schwimmer war. In einem Punkt gebe ich Ihnen nicht recht: Ich glaube nicht, daß er Geschäftsmann oder höherer Angestellter war. Meiner Meinung nach besaß er entweder Vermögen, so daß er finanziell unabhängig war, oder er arbeitete nur von Fall zu Fall. In Anbetracht seines Alters könnte man davon ausgehen, daß er sich vom Geschäft zurückgezogen hatte. Und wenn ich jetzt mal eine ganz kühne Vermutung wagen darf, dann würde ich darauf tippen, daß er in einem technischen Beruf tätig war und auf diesem Gebiet Außergewöhnliches leistete. Ich halte ihn für einen Ingenieur oder ähnliches.«
    Linda starrte ihn an. »Ich bin tief beeindruckt«, erklärte sie.
    »Das sollten Sie aber nicht. Es ist alles nur Erfahrung und logisches Nachdenken.«
    »Trotzdem. Mir ist jetzt klar, warum Sie bei der Kriminalpolizei sind.«
    Tibbs schüttelte den Kopf. »Sie haben gut beobachtet, doch ein Detail ist Ihnen entgangen.«
    »Welches?« fragte Linda eifrig. »Sagen Sie's mir.«
    »Tut mir leid, das kann ich nicht«, versetzte Tibbs. »Ich schlage vor, Sie vergegenwärtigen sich jetzt noch einmal sämtliche Fakten und versuchen, sich daraus ein Bild zu machen.«
    Linda dachte nach. »Das Motiv war Raub«, meinte sie. »Man hat ihm alles genommen, sogar seine Kleider.«
    Tibbs preßte die Hände zusammen. »Das ist von untergeordneter Bedeutung. Man nahm ihm das Leben — beinahe das schlimmste Verbrechen, das es gibt.«
    »Was ist noch schlimmer?«
    »Landesverrat. Doch Sie übersehen noch immer den Punkt, auf den es ankommt.«
    »Bitte, sagen Sie's mir.«
    »Stellen Sie sich die grundlegenden Tatsachen vor: Man findet in Ihrem Schwimmbecken einen Toten, der weder Uhr noch Kleider am Leib hat. Ihnen erscheint das vielleicht nicht ungewöhnlich — daß er keine Kleider anhatte. Doch Sie erklären selbst, daß er kein Nudist gewesen sein kann. Er hatte eine vollständige Zahnprothese, und beide Prothesen waren entfernt. Er wurde irgendwann im Lauf der vergangenen Nacht heimlich hierhergebracht und in Ihr Schwimmbecken geworfen. Warum wohl?«
    »Um uns in eine peinliche Lage zu bringen, um der Idee der Freikörperkultur zu schaden.«
    »Das glaube ich kaum. Sehen Sie denn nicht, Linda, daß in diese fremde Umgebung, in die er nicht gehörte und nicht paßte, nur gebracht wurde,

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