Totgeglaubt
Tastatur des Computers. Ihr Vater begrüßte technische Neuerungen nicht gerade überschwänglich. Er arbeitete lieber auf seine altmodische Weise. “Alle Welt ist aufgescheucht wegen Clay Montgomerys Mordgeständnis”, brummte er.
Also wusste er es. Allie legte ihr Protokoll vor ihn auf den Tisch, dann zog sie einen Stuhl an seinen Schreibtisch. “Also hat es sich bereits herumgesprochen?”
“Dank deines Kollegen.”
“Hendricks?”
“Wer sonst? Er hatte nichts Besseres zu tun, als sofort die Zeitung anzurufen und zu behaupten, dass wir unseren lange gesuchten Mann endlich haben.”
Allie wartete darauf, dass ihr Vater sich ihrem Bericht widmete, um daraus die tatsächlichen Fakten zu entnehmen. Aber das tat er nicht. “Und was denkst du?”, fragte sie schließlich.
“Hendricks ist ein Idiot.”
Mit einem Blick aus dem Fenster vergewisserte sie sich, dass Hendricks’ Scheinwerfer noch nicht zu sehen waren. Sie wusste, dass er jeden Moment zurückkommen musste. “Da stimme ich dir zu. Aber sein Vater ist ein hohes Tier im Landratsamt. Und immerhin habe ich in Hendricks’ Gegenwart über den Fall gesprochen. Glaubst du – nach allem, was du gehört hast –, dass Beth Anns Aussage irgendetwas ins Rollen bringt?”
“Möglich.”
Allie hatte mit einer anderen Antwort gerechnet. Mit einer Bestätigung ihrer eigenen Ansicht. “Und was ist mit meinem Bericht?”
“Was soll damit sein?”
“Willst du ihn nicht lesen?”
“Brauche ich nicht.”
“Was?”
Er antwortete nicht.
“Dad, wenn du ihn nicht lesen willst, dann fasse ich ihn eben mündlich zusammen. Wir wissen durch diesen Vorfall doch auch nicht mehr als bisher. Beth Ann behauptet lediglich, Clay habe ihr etwas gestanden, was er strikt leugnet. Das ist doch kein Beweis.”
“Es kommt eben eins zum anderen”, entgegnete Chief McCormick gleichgültig.
“Ich dachte, wir brauchen etwas mehr als Tratsch, Klatsch und Hörensagen, um einen Mordverdacht zu erhärten. Zuallererst wäre eine Leiche ganz hilfreich.”
“Erzähl das mal all den Leuten, die gestern hier angerufen und Clays Verhaftung verlangt haben”, schnappte er zurück. “Ich schwöre dir: Die würden ihn lynchen, wenn sie könnten, und zwar ohne einen einzigen Beweis seiner Schuld.” Er grinste schief. “Außer vielleicht dem, dass er sich geweigert hat, die richtigen Ärsche zu küssen.”
Allie hatte noch nie erlebt, dass ihr Vater so für Clay Partei ergriff. “Du hast mir mal erzählt, dass du glaubst, er sei schuldig, und dass seine Mutter und seine Schwestern ihn decken”, sagte sie. “Hast du deine Meinung geändert?”
Er hämmerte nach wie vor mit beiden Zeigefingern auf die Tastatur ein. “Was ich glaube, spielt keine Rolle.” Er nickte in Richtung ihres Berichts. “Was
du
glaubst, ebenso wenig. Einzig das, was wir beweisen können, zählt.”
“Aber wir können nicht beweisen, dass er Barker umgebracht hat. Wie also will der Staatsanwalt damit durchkommen?”
“Theoretisch kann er es, und vielleicht versucht er es sogar. Es ist mittlerweile ein Politikum – und ein Wespennest.”
“Das ist doch verrückt”, erwiderte sie. “Wir müssen den tatsächlichen Schuldigen finden.”
“Du glaubst also nicht, dass es Clay war?” Er blickte zu ihr hoch.
“Theoretisch kann er es gewesen sein, genau wie eine Menge anderer Leute auch”, wand sie sich um eine eindeutige Antwort herum.
Dale tippte unverdrossen weiter. “Hör auf, deine Energie dafür zu verschwenden.”
Allie setzte sich kerzengerade auf. So hatte sie ihren Vater noch nie reden hören. Er tat ja gerade so, als hätte der Fall Barker nicht höchste Priorität für ihn. “Was hast du gesagt?”
“Wenn es jemals irgendwelche Beweise gab, dann sind die längst verschwunden.”
“Nicht zwangsläufig”, widersprach sie. “Der Schlüssel könnte in den Akten selbst verborgen sein.”
“Vielleicht. Aber was hättest du gewonnen, wenn du tagelang über den Protokollen hocken und jeden, der damals eine Aussage gemacht hat, noch einmal befragen würdest? Der Täter hat offensichtlich nie wieder zugeschlagen. Er ist also keine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit.”
“Ich könnte den Staatsanwalt daran hindern, den falschen Mann anzuklagen. Obwohl ich bezweifle, dass sie überhaupt etwas gegen Clay ausrichten können, egal wie sehr sie sich bemühen.”
“Sie könnten Erfolg haben, wenn sie die Sache hier vor Ort verhandeln.”
Diese Antwort gefiel Allie nicht. “Es
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