Totgeglaubt
schwör’s.”
Beth Ann hoffte offenbar, dass die Dinge wieder in Bewegung kämen, wenn sie die Schuld von sich abwälzte. Clay konnte das verstehen, aber in seiner Achtung stieg sie deswegen nicht. “Die Aussage, die du Allie gegenüber gemacht hast, kümmert mich nicht. Wenn es ausgereicht hätte, mich ins Gefängnis zu bringen, dann wäre ich da wohl schon drin. Ich möchte nur wissen, ob du …”
“Was?”
“… ein Baby …?”
“Was für ein Baby?”
“Du hast ihr erzählt, dass du schwanger bist, erinnerst du dich nicht mehr?”
“Oh, ach ja …”, sie lachte gezwungen, “… wie ich dir schon gesagt habe, ich war aufgebracht und verstört und habe Dinge gesagt, die ich nicht hätte sagen sollen. Aber ich habe sie umgehend zurückgenommen.”
Er schloss seine Augen und atmete tief aus. “Also stimmt es nicht?”, fragte er. Er musste absolute Gewissheit haben.
“Nein, aber …”, ihre Stimme wurde zu einem hoffnungsvollen Wispern. “Hättest du mich geheiratet, wenn ich schwanger gewesen wäre?”
Obwohl er es sich niemals eingestanden hätte, war ihm diese Frage die letzten vierundzwanzig Stunden auch durch den Kopf gegangen – seit dem Moment, in dem die Option aufgetaucht war. Deshalb war er so verstört gewesen. Nach den Erfahrungen seiner eigenen Kindheit wollte er seinem eigenen Kind ein guter Vater sein, ein Vollzeitvater, idealerweise mit der Mutter an seiner Seite. Selbst wenn er dafür eine Frau heiraten musste, die er nicht liebte. “Wahrscheinlich”, gab er zu.
Beth Anns anhaltendes Schweigen zeigte ihm, dass seine Antwort sie geschockt hatte.
“Du kannst jetzt weiter dein Leben leben.”
“Warte, Clay. Wenn du ein Baby willst, kann ich dir eins schenken. Wir beide könnten es schaffen.”
Er stellte sich vor, das Lachen eines kleinen Mädchens im Haus zu hören oder seinen Sohn mit raus auf die Farm zu nehmen. Seitdem Grace verheiratet war, hatte Clay zwei Neffen. Teddy und Heath waren die Söhne aus erster Ehe von Graces Mann Kennedy, aber Clay liebte sie, als gehörten sie schon immer zur Familie. Er wünschte sich genau so ein Jungsgespann wie seine Neffen oder ein kleines Mädchen wie Grace. Sein Verhältnis zu seiner Schwester, das durch den Vorfall mit Barker immer etwas schwierig gewesen war, hatte sich mittlerweile sehr entspannt. Grace war immer seine Lieblingsschwester gewesen, nicht nur, weil sie ihm altersmäßig am nächsten, sondern auch, weil sie so liebevoll und zerbrechlich war.
Der Gedanke an seine beiden Neffen machte Beth Anns Vorschlag verlockender, als er es sich je hätte vorstellen können. Fast so verlockend, um Beth Ann als Kompromiss zu schlucken. Er war vierunddreißig. Wäre sein Leben anders verlaufen, dann wäre er längst verheiratet gewesen.
Aber was für eine Art Leben konnte er einer Frau und einem Kind bieten, wenn er gleichzeitig ein so dunkles Geheimnis hüten musste? Was wäre, wenn Allie McCormick oder jemand anders die Wahrheit ans Licht brächte?
Ganz klar: Er würde die volle Verantwortung übernehmen und ins Gefängnis gehen müssen.
“Nein”, sagte er. “Es ist vorbei.” Beth Ann konnte natürlich nicht ahnen, dass er ihr damit nur einen Gefallen tat.
“Sag doch das nicht”, schrie sie. “Bitte lass mich dich noch einmal sehen!”
Sie wusste einfach nicht, wann sie sich zurücknehmen musste. “Ich bin müde, Beth Ann.”
“Dann am Wochenende. Oder nächstes Wochenende. Nur eine letzte gemeinsame Nacht. In Erinnerung an die guten alten Zeiten.”
“Nein”, sagte er und legte auf.
Als Allie auf dem Revier eintraf, saß ihr Vater vor einem Haufen von Papieren an seinem Schreibtisch. Normalerweise hielt er sich weitgehend an die offiziellen Bürozeiten, doch heute war er nicht mehr zu Hause gewesen, seit er um acht Uhr früh aufgebrochen war. Er war nicht einmal zum gemeinsamen Abendessen vorbeigekommen. Evelyn hatte erwähnt, dass er angerufen habe, um zu sagen, dass er viel zu tun hätte, und Allie war erstaunt gewesen, dass er nicht mit ihr hatte sprechen wollen. Bestimmt hatte er inzwischen von dem Notruf und Allies Einsatz auf der Montgomery-Farm gehört – von Hendricks, durch die Notrufzentrale oder über die Gerüchte, die Beth Ann mittlerweile sicher gestreut hatte.
“Das war ein langer Tag für dich”, sagte sie und stellte ihr Lunchpaket auf den kleinen Tisch in der Ecke. “Was ist los?”
Dale grummelte ärgerlich vor sich hin und hackte weiter mit seinen beiden Zeigefingern in die
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