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Totgeglaubt

Totgeglaubt

Titel: Totgeglaubt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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nicht scharf darauf, mehr zu erfahren. Allerdings hätte sie die Boutique, in der sie arbeitete, kaum verlassen, wenn es nicht wirklich wichtig gewesen wäre.
    Er machte sich auf das Schlimmste gefasst. “Was ist los?”
    “Allie McCormick sucht nach Lucas.”
    Er hatte damit gerechnet, Barkers Namen zu hören. “Lucas?”
    “Dein Vater, Clay! Erinnerst du dich nicht an den Namen deines Vaters?”
    Mit dem Ärmel wischte er sich den Schweiß von den Schläfen. Natürlich erinnerte er sich an den Namen seines Vaters. Er hatte nur seit Ewigkeiten nicht mehr an ihn gedacht. Er hatte Wichtigeres zu tun. Aber es hatte Zeiten gegeben, da hatte er sich Tag für Tag nach seinem Vater gesehnt. So sehr, dass es ihn fast krank gemacht hatte.
    “Warum sucht sie nach ihm?”, fragte er.
    “Es kursiert das Gerücht, ich hätte ihn umgebracht. Kannst du dir das vorstellen? Er ist wahrscheinlich genauso lebendig wie du und ich – nur eine ganze Ecke reicher.”
    Clay hob beschwichtigend seine Hände. “Komm, beruhig dich erst mal. Warum sollte sich Allie für Lucas interessieren? Er hat nichts mit Reverend Barker oder Stillwater oder sonst wem zu tun. Er ist nie hier gewesen.”
    “Sie glaubt, ich wäre eine Art schwarze Witwe. Mrs. Little hat’s mir erzählt.”
    Mrs. Little war die Besitzerin der Boutique, in der Irene fünf Tage die Woche arbeitete. Obwohl die Littles Irene gegenüber anfangs sehr reserviert gewesen waren und sich immer noch bemühten, ihre Beziehung auf einer rein geschäftlichen Ebene zu belassen, waren sie zu ihr doch freundlicher als sonst irgendjemand in der Stadt.
    “Sie versucht also, ihn ausfindig zu machen”, wiederholte Clay mit einem Achselzucken. “Lass sie doch. Je mehr Zeit sie auf Lucas verschwendet, umso weniger hat sie für Barker übrig.”
    “Aber was, wenn sie ihn findet?”
    “Vielleicht kann sie die Unterhaltszahlungen für uns eintreiben, die er dir noch schuldet.”
    Sie schnitt eine Grimasse. “Hör auf mit deinen blöden Witzen. Ich werde nie einen Cent von ihm sehen, das weißt du genau. Nicht nach so langer Zeit. Und außerdem will ich sein Geld nicht mehr.”
    Clay verstand nicht, was sie so erregte. “Warum bist du so aus dem Häuschen?”
    “Wenn sie ihn ausfindig macht, dann taucht er vielleicht hier auf. Und das will ich nicht.”
    “Er wird uns nicht belästigen, nicht nach so vielen Jahren.”
    “Er könnte es zum Anlass für irgendwelche Wiedergutmachungen nehmen”, erwiderte sie. “Besonders bei dir. Du bist der Älteste. Dich kennt er am besten.”
    Clay wischte sich den Staub von der Hose. Sein Vater war nie wieder nach Hause gekommen. Nicht einmal seinetwegen. Und die Wunde, die das hinterlassen hatte, würde wahrscheinlich niemals ganz verheilen. Doch in Selbstmitleid wollte er sich deshalb noch lange nicht ergehen.
    Aber noch etwas anderes trieb seine Mutter um, das spürte er. “Befürchtest du, ich würde ihn hier willkommen heißen?”
    “Du hast ihn angebetet”, gab sie zu bedenken.
    Das stimmte. Lucas Montgomery war eine Art Held für Clay gewesen: der Mann, der am Zahltag ganz groß auftrumpfte, seine Familie in die Stadt ausführte und ihnen Eis spendierte. Der Mann, der mit Irene wild durch die Küche tanzte oder so tat, als wäre ihr Schneebesen ein Mikrophon, und sie damit zum Lachen brachte. Der Mann, der Molly auf seinem Schoß behielt, bis sie eingeschlafen war, und sie dann vorsichtig ins Bett trug. Clays Leben war mit Lucas besser und erfüllter gewesen, das konnte er einfach nicht leugnen. Und er nahm an, dass seine Schwestern und seine Mutter es ebenso empfanden.
    Doch als Clay fünf oder sechs Jahre alt war, kam Lucas plötzlich nicht mehr regelmäßig nach Hause. Und jedes Mal, wenn er zwei oder drei Tage hintereinander fortblieb, gab es Streit. Noch heute konnte Clay seine Mutter hören: “Lucas, hör endlich mit deinen Zechgelagen auf! Die Wasserrechnung ist fällig. Was sollen wir machen, wenn wir das Wasser nicht mehr bezahlen können?” und “Du hast jetzt Kinder, für die du verantwortlich bist, Lucas. Wie soll Clay lernen, ein Mann zu werden, wenn du nicht hier bist, um es ihm zu zeigen?” Sein Vater sagte immer: “Das hat nichts mit dem Trinken zu tun, Irene. Ich bin noch jung. Ich habe mein Leben noch vor mir! Ich möchte die Welt sehen. Und das kann ich nicht, wenn ich an eine Ehefrau und drei Kindern gebunden bin.”
    Anfangs hatte Clay Sympathie für die Haltung seines Vaters gehabt. Es war seine Mutter, die

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