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Totgeglaubt

Totgeglaubt

Titel: Totgeglaubt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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wie seinen Stiefvater.”
    Körperlich zumindest wäre Clay in der Lage, so ziemlich jeden zusammenzuschlagen, der ihm in die Quere kam. Er war gut einen Meter neunzig groß und hatte dabei einen äußerst wohlproportionierten Körper – und die breitesten Schultern, die Allie je gesehen hatte. Die harte Arbeit auf seiner Farm, eigentlich genug für zwei oder mehr Leute, hielt ihn offenbar in Form.
    Mit sechzehn war er noch nicht so kräftig gewesen, sondern eher ein großer, schlaksiger Junge mit schwarzen Haaren und kobaltblauen Augen. Wenn er sich unbeobachtet fühlte, hatte er manchmal ganz verloren dreingeschaut, sogar etwas müde und überdrüssig. Er hatte immer ganz und gar ablehnend auf jede Art von Freundlichkeit reagiert. Selbst als Allie schließlich aufs College ging – da war Clay Anfang zwanzig –, war er aus seiner jugendlich-schlaksigen Figur noch nicht herausgewachsen.
    “Hat er gesagt,
wie
er seinen Stiefvater umgebracht hat?”, hakte Allie nach.
    “Das hab ich doch schon gesagt. Er … hat ihn erschlagen.” Zu Allies Erleichterung zog Beth Ann sich endlich ihr T-Shirt über. Allie hatte in all ihren Dienstjahren schon einiges gesehen, vor allem mehr Leichen als sie zählen konnte. Aber neben der halbnackten vollbusigen Beth Ann zu sitzen, die vermutlich gerade aus Clay Montgomerys Bett geflüchtet war, das war ihr doch entschieden zu intim und persönlich. Aber so etwas wie Anonymität war in Stillwater offenbar nicht möglich.
    “Wollen Sie mir erzählen, dass er Reverend Barker mit bloßen Händen umgebracht hat? Mit sechzehn?”
    Jetzt, wo Beth Ann angezogen war, knipste Allie die Innenbeleuchtung des Wagens an, um ihre Mimik besser beobachten zu können. Aber das kleine Lämpchen war nicht hell genug, um das Wageninnere auszuleuchten, und von draußen kam nicht der kleinste Lichtschein herein. Gewitterwolken hatten sich vor den Mond geschoben.
    “Er ist stark. Sie haben ja keine Ahnung, wie stark er ist.”
    Allie wusste sehr wohl, in welchem Ruf Clay stand. Schon in der Highschool hatte er einige Rekorde im Gewichtheben aufgestellt. “Er wird damals nicht viel mehr als siebzig Kilo gewogen haben”, gab sie zu bedenken.
    Ihr skeptischer Einwand ging in ein nachdenkliches Schweigen über, dann sagte Beth Ann: “Ich denke, er wird einen Stock benutzt haben. Ja, irgendeine Art Stock oder Knüppel.”
    Irgendetwas stimmte an diesem Gespräch nicht, aber Allie versuchte trotzdem – oder gerade deshalb –, es noch ein wenig fortzusetzen. Wenn sie jetzt ein vorschnelles Urteil fällte, würde das den Fall von vornherein verkorksen. Falls Beth Ann die Wahrheit sagte – was Allie stark bezweifelte –, stellte sich die Frage, was Reverend Barker seinem Stiefsohn angetan hatte, damit dieser mit einem Stock auf ihn losging? War er zu streng mit ihm gewesen? Hatte er ihn zu hart rangenommen?
    Das war immerhin möglich. Allie hatte Reverend Barker als äußerst eifrigen, leidenschaftlichen Prediger in Erinnerung, und Clay war nie ein besonders guter Puritaner gewesen. Er hatte schon immer ein starkes Interesse am weiblichen Geschlecht gehabt – und nie einen Mangel an Mädchen, die ihm eifrig seine Wünsche erfüllten. Hinzu kamen etliche Beteiligungen an Schlägereien. Seiner Mutter und seinen Schwestern gegenüber war er jedoch immer freundlich und hilfsbereit gewesen. Und soviel sie wusste, hatte er nie Probleme mit Alkohol oder Drogen gehabt.
    “Die Polizei hat nie eine Tatwaffe gefunden”, wandte sie ein, in der Hoffnung, noch ein paar Informationen aus Beth Ann herausholen zu können.
    “Die muss er irgendwie losgeworden sein.”
    “Hat er Ihnen erzählt, dass er einen Schlagstock benutzt hat?”
    Beth Ann warf einen Blick zum Haus hinüber. “Nein, aber er muss einen benutzt haben.”
    Er muss
… Allie konnte sich einen Seufzer nicht verkneifen. “Wann hat Clay Ihnen denn die Tat gestanden?”
    “Vor … vor ein paar Wochen.”
    “Haben Sie mit irgendjemandem darüber gesprochen?”
    “Nein.”
    Der Regen fiel jetzt noch dichter, trommelte geradezu aufs Autodach. Die Luft roch nach feuchter Erde. “Nicht einmal mit Ihrer Mutter oder Ihrem Vater? Oder irgendeinem Freund?”
    “Ich hab’s niemandem erzählt. Aus … aus Angst vor Clay.”
    “Verstehe”, sagte Allie, aber sie konnte die Geschichte ganz und gar nicht nachvollziehen. Beth Ann schien sich nicht im Geringsten vor Clay gefürchtet zu haben, als sie die beiden am letzten Sonntag zusammen in der Kirche gesehen

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