Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
Text und beugte sich dann vor.
»Es geht um die Besprechung vom 21. Oktober 1963. Sie reden über Höhle 2001.«
»Was genau sagen sie?«
»Yoram Tsafrir berichtet von seinen Fortschritten in einer anderen Höhle. 2004. Hör dir das an.«
Ich hatte die Ohren bereits ganz weit offen.
»Tsafrir sagte, die Funde sind ›viel schöner als die Stücke, die in den Höhlen 2001 und 2002 gefunden wurden.‹«
»Dann wurde Höhle 2001 also schon vor dem zwanzigsten Oktober untersucht«, sagte ich.
»Ja.«
»Begann die Ausgrabung denn nicht Anfang Oktober?«
Jake nickte.
»Die Höhle muss also in den ersten beiden Wochen der Ausgrabung entdeckt worden sein.«
»Ich habe aber bis zu diesem Eintrag keine Erwähnung gefunden.« Jake runzelte die Stirn. »Mach weiter. Ich gehe noch einmal die Seiten durch, die ich bereits überflogen habe.«
Der nächste Hinweis auf Höhle 2001 war am 26. Oktober 1963, über einen Monat später. Man hatte Haas zur Teilnahme an dem Projekt eingeladen.
»Haas berichtet von drei Skeletten, die in Locus 8 gefunden wurden, das ist der nördliche Palastbereich, und in Locus 2001, da sind die Höhlenknochen.« Jake ließ den Finger über den Text wandern. »Er sagt, es handle sich um vierundzwanzig bis sechsundzwanzig Personen und einen sechs Monate alten Fötus. Vierzehn Männer, sechs Frauen, vier Kinder und einige Unbekannte.«
»Wir wissen, dass die Zahlen nicht stimmen«, sagte ich.
»Richtig.« Jake hob den Kopf. »Aber was noch wichtiger ist: Wo sind, falls es sie gibt, die früheren Diskussionsmitschriften über die Höhle und ihren Inhalt?«
»Vielleicht haben wir sie übersehen«, sagte ich.
»Vielleicht.«
»Lass uns alles noch einmal lesen, was vor dem zwanzigsten Oktober ist«, schlug ich vor.
Das taten wir auch.
Keine einzige Erwähnung der Untersuchung oder Ausgrabung der Höhle.
Aber etwas erfuhren wir doch.
Die Seiten waren nummeriert. Mit arabischen Ziffern.
Arabische Ziffern konnte ich lesen.
Ich ging die fragliche Zeitspanne noch einmal durch.
Von den ersten Oktoberwochen fehlten Seiten.
Mit einem immer stärker werdenden Unbehagen ging ich jedes Notizbuch in jedem Karton durch.
Die Seiten waren nicht falsch eingeordnet worden.
Sie waren verschwunden.
30
»Kann man Unterlagen auslernen?«, fragte ich.
»Nein. Und Porat hat mir versichert, dass wir alles vollständig in der Sammlung haben.«
»Wenn die Seiten entfernt wurden, dann musste das intern geschehen sein.«
Wir dachten beide schweigend nach.
»Yadin verkündete die Entdeckung der Palast-Skelette bei einer Pressekonferenz im November dreiundsechzig«, sagte ich. »Er hatte ganz offensichtlich großes Interesse an menschlichen Überresten.«
»Aber natürlich. Das beste Mittel, um die Selbstmorde in Masada zu beweisen.«
»Also redete Yadin über drei Personen, die man oben auf dem Gipfel gefunden hatte, in dem Bereich, den die Hauptgruppe besetzte. Seine tapfere kleine Zeloten-›Familie‹.« Ich zeichnete die Anführungszeichen mit den Fingern in die Luft. »Aber er ignorierte die Überreste aus Locus 2001, die zwanzig plus x Personen, die in der Höhle unter der Kasemattenmauer gefunden wurden, an der Südflanke des Plateaus. Für diese Leute gab es keine Presse.«
»Nada.«
»Was hat Yadin der Presse eigentlich genau gesagt?«
Jake bearbeitete seine Schläfen mit den Fingerspitzen. Die Adern schienen blau durch kalkig weiße Haut.
»Ich bin mir nicht sicher.«
»Kann es sein, dass er Zweifel in Bezug auf das Alter der Knochen gehabt hatte?«
»In seinem Bericht über die erste Grabungssaison gab Yadin an, dass nichts aus der Höhle auf eine Zeit nach der Periode der ersten Revolte hindeutete. Und er hatte Recht. C-14-Datierungen, die Anfang der Neunziger bei Textilresten angestellt wurden, die mit den Knochen vermischt waren, fallen in die Zeitspanne zwischen vierzig und hundertfünfzehn unserer Zeitrechung.«
Fehlende Seiten. Gestohlene Skelette. Ein ermordeter Händler. Ein toter Priester. Es war wie in einem Zerrspiegelkabinett. Was war echt? Was war ein Trugbild? Was führte wohin?
Eins allerdings spürte ich.
Ein unsichtbarer Faden verband alles mit diesen Höhlenknochen.
Und mit Max.
Ich bemerkte, dass Jake verstohlen auf seine Uhr schaute.
»Du gehst jetzt ins Bett«, sagte ich und steckte Notizbücher in Kartons.
»Mir geht’s gut.«
Seine Körpersprache signalisierte etwas anderes.
»Ich kann ja richtig zusehen, wie du zusammenbrichst.«
»Na ja, verdammte
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