Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
die Witwe hat eine Vorgeschichte mit Kaplan.«
»Die sie allerdings zu erwähnen versäumte.«
»Korrekt.«
»Und Kaplan floh aus dem Land.«
»Korrekt.«
»Und die Witwe hat vier Millionen zu erwarten.«
»Ebenfalls korrekt.«
»Vier Millionen sind ein starkes Motiv.«
»Ihnen entgeht aber auch nichts.«
»Wollen Sie sich mit Mr. Kaplan unterhalten?«
»Sobald es ihm möglich ist.«
»Gleich als erstes morgen früh.«
»Nee. Er soll sich zuerst die Zähne putzen.«
Friedman wandte sich mir zu. »Ich bin mir sicher, das war mein Fehler, aber Ihre Verbindung zu dem Fall habe ich irgendwie nicht mitbekommen.«
Ich berichtete, wie ich von Kaplan das Foto und von Morissonneau das Skelett erhalten hatte, und erwähnte auch meinen Anruf bei der IAA.
»Wer hat mit Ihnen gesprochen?«
»Tovya Blotnik und Ruth Anne Bloom.«
»Bloom ist die Knochenlady?«
Ich unterdrückte ein Lächeln. Diesen Spitznamen hatte man mir auch schon gegeben.
»Ja.«
»Und sie haben diesen Gebeinkasten erwähnt?«, fragte Friedman.
»Das Jakobus-Ossuar?«
Friedman nickte.
»Blotnik hat es erwähnt. Wieso?«
Friedman ignorierte meine Frage. »Und dieser Drum meinte, Sie sollten sich bedeckt halten, wenn Sie hierher kommen?«
»Jake riet mir, ich sollte mit niemandem in Israel Kontakt aufnehmen, bevor ich mich nicht mit ihm getroffen hätte.«
Friedman trank sein Bier aus. Als er dann wieder sprach, klang seine Stimme flach, als wollte er nicht sagen, was er wirklich dachte.
»Der Rat ihres Freundes ist vernünftig.«
Vernünftig. Aber, wie sich zeigen sollte, auch vergeblich.
19
Fünf Uhr zwanzig morgens. Die Baumwipfel vor meinem Fenster waren schwarz, das Minarett der Moschee auf der anderen Straßenseite nur ein harter Schatten. Geweckt hatte mich ihr Lautsprecher, der den Ruf zum fajr , dem Morgengebet, verkündete.
Gott ist groß, rief der Muezzin auf Arabisch. Gebet ist besser als Schlaf.
Ich war mir da nicht so sicher. Ich fühlte mich schlapp und desorientiert wie ein Patient, der aus einer Narkose aufwacht.
Das mechanische Jaulen verstummte, Vogelgezwitscher füllte die Leere. Das Bellen eines Hundes. Das Knallen einer Auto-Ich lag im Bett und wurde plötzlich von dem unbestimmten Gefühl gepackt, dass in nicht allzu langer Zeit etwas Schlimmes passieren würde. Was? Wann?
Ich beobachtete, wie das silbrige Licht im Zimmer langsam rosa wurde, und lauschte den Geräuschen des dichter werdenden Verkehrs. Ich sondierte mein Unterbewusstsein. Warum dieses unbehagliche Gefühl?
Jetlag? Angst um meine eigene Sicherheit? Ein schlechtes Gewissen wegen Morissonneau?
O Mann. Das war eine Furche, die ich noch nicht beackert hatte. Ich hatte das Kloster besucht, und vier Tage später war Morissonneau eine Leiche auf einem Gartenweg. War mein Besuch der Auslöser für den Tod des Priesters gewesen? Hätte ich wissen müssen, dass ich ihn in Gefahr brachte?
Hatte ich Morissonneau in Gefahr gebracht?
Wer zum Teufel war dieses Skelett?
Zum Teil rührte meine Ängstlichkeit daher, dass andere etwas zu wissen schienen, was ich nicht wusste.
Blotnik. Friedman. Sogar Jake schien etwas zurückzuhalten.
Vor allem Jake. Verfolgte mein Freund ein Ziel, von dem er mir nichts sagte? Ich glaubte es eigentlich nicht.
Aber was hielt er zurück?
Zum einen Näheres zu diesem Jakobus-Ossuar. Bei diesem Thema schien jeder um den heißen Brei herumzureden. Ich schwor mir, dieses Rätsel noch heute zu lösen.
Gleich fühlte ich mich besser. Ich wurde aktiv. Oder zumindest nahm ich mir vor, aktiv zu werden.
Um sechs stand ich auf, duschte und ging hinunter ins Restaurant, weil ich hoffte, dass Ryan ebenfalls schon so früh auf war. Außerdem hoffte ich, er hatte sich inzwischen mit der Tatsache abgefunden, dass ich in 304 untergebracht war und er am anderen Ende das Gangs in 307.
Wir hatten die Schlaf-Arrangements besprochen, bevor wir Montreal verließen. Ich hatte auf getrennten Zimmern bestanden mit der Begründung, dass wir in offizieller Mission nach Israel reisten. Ryan war anderer Meinung gewesen und hatte entgegnet, kein Mensch würde es erfahren. Ich hatte gemeint, es wäre doch ein Spaß, hin und her zu schleichen. Ryan hatte widersprochen. Ich hatte mich durchgesetzt.
Ryan saß an einem Tisch und starrte missmutig auf seinen Teller.
»Wie kann jemand auf die Idee kommen, zum Frühstück Oliven zu servieren?« Ryans Ton deutete darauf hin, dass er noch mehr unter Jetlag litt als ich.
»Magst du keine Oliven?«
»Erst
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