Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
Bauch.
»Diese Namen waren doch ziemlich häufig, oder? Wie Joe und Tom heute?«
»Sehr«, entgegnete Jake. »Hat jemand Hunger?«
»Nein«, sagte ich.
»Ja«, sagte Ryan.
Wir gingen in die Küche zurück. Jake stellte kalten Braten auf den Tisch, Fladenbrot, Orangen, eingelegtes Gemüse und Oliven. Die Katzen sahen zu, wie wir uns bedienten. Ryan ließ die Oliven aus.
Mit unseren fertigen Sandwiches gingen wir zu einem Klapptisch im Essbereich. Beim Essen unterhielten wir uns weiter.
»Maria war der häufigste Frauenname im römischen Palästina des ersten Jahrhunderts«, sagte Jake. »Bei den Männern war es Simon, gefolgt von Joseph. Ossuare mit diesen Namen zu entdecken, ist also keine große Sensation. Eine Sensation ist allerdings die Kombination, die Entdeckung all dieser Namen in einem einzelnen Grab. Das ist wirklich ein Knaller.«
»Aber Jake …«
»Ich habe mir publizierte Kataloge von jüdischen Ossuaren angesehen. Von den tausenden von Kästen, die in Sammlungen in Israel verwahrt sind, tragen nur sechs den Namen Jesus. Und von diesen sechs trägt nur einer die Inschrift ›Jesus, Sohn des Joseph‹. Und jetzt der unsere.«
Jake scheuchte eine Katze weg.
»Schon mal was von Onomastik und Prosopografie gehört?«
Ryan und ich schüttelten den Kopf.
»Die statistische Analyse von Namen.« Jake schob sich eine Olive in den Mund und redete weiter, während er das Fruchtfleisch vom Kern knabberte. »Zum Beispiel hat ein israelischer Archäologe namens Rahmani in seinem Katalog publizierter Ossuare neunzehn Josephs und fünf Jakobs gefunden.«
Jake spuckte den Kern auf die Handfläche und schob sich eine zweite Olive in den Mund.
»Ein anderer Experte untersuchte registrierte Namen im Palästina des ersten Jahrhunderts und errechnete Häufigkeiten von vierzehn Prozent für Joseph, neun Prozent für Jesus und zwei Prozent für Jakob. Durch Kombination dieser Zahlen errechnete ein französischer Paläoepigraf namens André Lemaire, dass nur 0,14 Prozent der Jerusalemer Bevölkerung den Namen ›Jakob, Sohn des Joseph‹ tragen konnten.«
Kern raus. Olive rein.
»Ausgehend von der Annahme, dass jeder Mann ungefähr zwei Brüder hat, berechnete Lemaire, dass ungefähr achtzehn Prozent der Männer mit dem Namen ›Jakob, Sohn des Joseph‹ einen Bruder namens Jesus haben konnten. So liegt die Wahrscheinlichkeit, dass im Verlauf von zwei Generationen jemand die Bezeichnung ›Jakob, Sohn des Joseph, Bruder des Jesus‹ trägt, bei 0,05 Prozent.«
»Wie viele Menschen lebten im ersten Jahrhundert in Jerusalem?«, fragte ich.
»Lemaire ging von einer Zahl von achtzigtausend aus.«
»Von denen etwa vierzigtausend Männer gewesen sein dürften«, sagte Ryan.
Ein Nicken. »Lemaire schloss, dass in Jerusalem während der zwei Generationen vor dem Jahr siebzig unserer Zeitrechnung nicht mehr als zwanzig Männer der Inschrift auf dem Jakobus-Ossuar entsprochen haben konnten.«
»Aber nicht jeder landete in einem Ossuar«, sagte ich.
»Nein.«
»Und nicht jedes Ossuar trug eine Inschrift.«
»Wichtige Punkte, Dr. Brennan. Aber die Erwähnung eines Bruders ist selten. Wie viele Jakobusse, Söhne von Joseph, hatten einen Bruder namens Jesus, der berühmt genug war, damit dieses Verwandtschaftsverhältnis auf ihren Ossuaren erwähnt wird?«
Da ich keine Antwort hatte, erwiderte ich mit einer Frage.
»Stimmen andere Namensexperten mit Lemaires Schätzung überein?«
Jake schnaubte. »Natürlich nicht. Einige sagen, sie ist zu hoch, andere sagen, sie ist zu niedrig. Aber wie hoch stehen die Chancen, dass man diese ganze Gruppe von Namen in einem Grab findet? Die beiden Marias, Joseph, Jesus, Judas, Salome. Die Wahrscheinlichkeit dürfte infinitesimal klein sein.«
»Ist das derselbe Lemaire, dem Oded Golan zuerst von dem Jakobus-Ossuar erzählte?«
»Ja.«
Mein Blick wanderte zu dem Fersenbein mit dem merkwürdigen Defekt. Ich dachte an Donovan Joyce und seine bizarre Theorie, dass Jesus das Kreuz überlebt hatte, um in Masada zu kämpfen und zu sterben. Ich dachte an Yossi Lerner und seine bizarre Theorie, dass die Knochen Jesu im Musée de l’Homme in Paris gelandet waren.
Da Lerner davon überzeugt war, dass es sich um Jesus handelte, hatte er das Skelett gestohlen, das wir inzwischen Max nannten. Aber Max’ Alter zum Zeitpunkt seines Todes hatte Lerners Theorie widerlegt. Meine Skeletteinschätzung hatte ein Alter zwischen vierzig und sechzig ergeben. Aber diese Schätzung machte Max auch zu
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