Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
Irgendetwas huschte über Jakes Gesicht. Ich konnte nicht sagen, was. »Ich rede noch heute mit Blotnik.«
»Blotnik hat einen Draht zu den Hevrat Kadisha?«, fragte Ryan.
Jake antwortete nicht. Draußen blökte eine Ziege.
»Was denkst du?«, fragte ich.
Jake runzelte die Stirn.
»Was?«, wiederholte ich eindringlicher.
»Da steht was Größeres auf dem Spiel.« Jake rieb sich die Augen mit seinen Handballen.
Ich öffnete den Mund. Ryan schaute kurz zu mir herüber und schüttelte fast unmerklich den Kopf. Ich schloss ihn wieder.
Jake ließ die Hände sinken, seine Unterarme klatschten auf die Tischplatte.
»Da steckt mehr dahinter als der übliche Wiederbestattungs-Blödsinn. Die Hevrat Kadisha haben von irgendwoher eine Warnung bekommen. Sie sind uns wegen der Masada-Knochen ins Kidron gefolgt.« Ein langer Finger spielte mit Krümeln. »Ich glaube, dass Yadin etwas wusste, was ihm eine Heidenangst eingejagt hat.«
»Was könnte das gewesen sein?«
»Bin mir nicht sicher. Aber einen Emissär von Israel bis nach Kanada schicken? Ein Hotelzimmer verwüsten? Vielleicht sogar jemanden töten? Das ist größer als die Hevrat Kadisha.«
Ich sah zu, wie Jake aus einem Krümelhäufchen eine lange, dünne Linie machte. Ich dachte an Yossi Lerner, Avram Ferris, Sylvain Morissonneau.
Ich dachte an Jamal Hasan Abu-Jarur und Muhammed Hazman Shalaideh, die Palästinenser, die vor l’Abbaye Sainte-Marie-des-Neiges geparkt hatten.
Ich kannte die Spieler nicht. Ich kannte das Spielfeld nicht. Aber mein Bauch sagte mir, dass Jake Recht hatte. Das Spiel war tödlich, die Trophäe war Max, und die Gegenseite war fest entschlossen zu gewinnen.
Immer dieselbe Frage. Wer war Max?
»Jake, hör zu.«
Jake streckte die Beine aus, lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und schaute zuerst Ryan, dann mich an.
»Du kriegst deine DNS-Ergebnisse. Du kriegst deine Textil-Analyse. So viel zum Grab. Das ist wichtig. Aber im Augenblick sollten wir uns auf Masada konzentrieren.«
In diesem Augenblick bimmelte Ryans Handy. Er schaute kurz auf das Display und verließ das Zimmer.
Ich wandte mich wieder Jake zu.
»Haas hat nie öffentlich über die Höhlen-Skelette gesprochen, richtig?«
»Richtig.«
»Was ist mit Aufzeichnungen vor Ort?«
Jake schüttelte den Kopf. »Einige Ausgräber haben Tagebuch geführt. Aber Aufzeichnungen, wie wir beide sie uns vorstellen, waren in Masada nicht üblich.«
Anscheinend zeigte ich eine schockierte Miene.
»Yadin setzte sich jeden Abend mit seinen Gruppenleitern zusammen, um die Entwicklungen des Tages zu besprechen. Diese Sitzungen wurden aufgenommen und später transkribiert.«
»Wo sind diese Transkripte?«
»Im Archäologischen Institut der Hebräischen Universität.«
»Kann man sie einsehen?«
»Ich kann ein paar Anrufe machen.«
»Wie fühlst du dich eigentlich?«, fragte ich.
»Tipptopp.«
»Wie wär’s, wenn wir zur Uni fahren und in alten Akten blättern?«
»Wie wär’s, wenn wir erst die Leichentuchfragmente zu Esther Getz bringen und dann zur Uni fahren?«
»Wo hat Getz ihr Labor?«
»Im Rockefeller Museum.«
»Ist dort nicht auch die IAA?«
»Ja.« Ein dramatisches Seufzen.
»Perfekt«, sagte ich. »Es wird Zeit, dass ich Tovya Blotnik meine Aufwartung mache.«
»Du wirst ihn nicht mögen.«
Während ich den Tisch abräumte, erledigte Jake seine Anrufe. Ich schraubte eben den Deckel auf das Glas mit dem eingemachten Gemüse, als Ryan wieder auftauchte. Ich sah seinem Gesicht an, dass er nicht die beste aller Nachrichten erhalten hatte.
»Kaplan hat seine Geschichte geändert«, sagte er.
Ich wartete.
»Jetzt behauptet er, jemand hätte ihn angeheuert, um Ferris auszuknipsen.«
29
Ich riss die Augen auf, stellte das Glas ab und war dann endlich so weit, eine Frage zu stellen.
»Kaplan hat Geld bekommen, damit er Ferris umbringt?«
Ein knappes Nicken.
»Von wem?«
»Dieses kleine Detail muss er uns erst noch mitteilen.«
»Er hat doch die ganze Zeit das Unschuldslamm gespielt. Warum redet er jetzt plötzlich?«
»Wer weiß?«
»Glaubt Friedman ihm?«
»Er hört zu.«
»Klingt wie eine Folge von Die Sopranos. «
»Könnte man sagen.« Ryan schaute auf die Uhr. »Ich muss da jetzt wieder hin.«
Ryan war fünf Minuten weg, als Jake wieder auftauchte. Gute Nachrichten. Wir bekamen Zugang zu den Masada-Transkripten. Und Getz hatte Zeit für uns. Er hatte ihr von dem Leichentuch erzählt, aber nicht von den Knochen. Ich hatte zwar meine Zweifel,
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