Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
hinunter.
Jake zeigte auf einen Artikel mit dem Titel »Anthropologische Beobachtungen bei den skelettalen Überresten von Giv’at ha-Mivtar.« Sein Finger lag auf einer Seite mit Fotos. Viele Details waren beim Kopieren verloren gegangen, doch das Motiv war offensichtlich.
Vier Aufnahmen zeigten Fragmente eines Fersenbeins und anderer Knochen, einige vor und einige nach Trennung und Rekonstruktion. Obwohl das Fersenbein mit einer dicken, kalkartigen Schicht überzogen war, erkannte ich einen Eisennagel, der quer im Knochen steckte. Ein Holzstück hing an der Innenseite des Knochens auf dem Nagel.
Ein fünftes Foto zeigte zum Vergleich ein modernes Fersenbein. Darauf war ein kreisrunder Defekt genau an der Stelle wie bei unserem Fersenbein aus dem Leichentuch zu erkennen.
Ich schaute Jake fragend an.
»Achtundsechzig wurden in drei Grabhöhlen fünfzehn Kalkstein-Ossuare gefunden. Dreizehn waren randvoll mit skelettalen Überresten, und der Erhaltungszustand war erstklassig. Wildblumensträuße. Weizengarben. Solche Sachen. Verletzungen an den Knochen deuteten darauf hin, dass eine Reihe von Individuen eines gewaltsamen Todes gestorben war. Eine Speerwunde. Verletzungen durch stumpfe Gegenstände.«
Jake tippte auf die Fotos.
»Dieser arme Kerl wurde gekreuzigt.«
Jake legte einen zweiten Artikel neben den ersten und deutete auf eine Zeichnung, die einen Menschen an einem Kreuz zeigte. Die Arme des Opfers hingen ausgestreckt am Querbalken, aber im Gegensatz zu modernen Darstellungen waren die Hände daran festgebunden, nicht genagelt. Die Beine waren gespreizt, die Füße an die Flanken des Längsbalkens genagelt, nicht an die Front.
»Von Josephus wissen wir, dass Holz in Jerusalem rar war, deshalb haben die Römer den Längsbalken mit Sicherheit stehen lassen, was bedeutete, dass nur der Querbalken getragen wurde. Beide Teile wurden mehrfach verwendet.«
»Die Arme wurden also angebunden, nicht genagelt«, sagte Ryan.
»Ja. Die Kreuzigung kam ursprünglich aus Ägypten. In Ägypten band man. Vergesst nicht, der Tod wurde nicht durch die Nägel verursacht. Das Hängen an einem Kreuz schwächt die Atemmuskulatur, das Zwerchfell und die Zwischenrippenmuskeln, was zum Tod durch Ersticken führt.
Das Opfer wurde so aufgehängt, dass die Beine seitlich am Längsbalken anlagen. Das Fersenbein ist der größte Knochen im Fuß. Deshalb wurde der Nagel durchs Fersenbein getrieben, von außen nach innen.«
Das Familiengrab Jesu. Ein Gekreuzigter in einem Leichentuch.
Als mir bewusst wurde, worauf Jake hinaus wollte, deutete ich auf das Fersenbein, das auf seiner Anrichte lag.
»Es ist nicht mehr festzustellen, ob das hier durch eine Verletzung verursacht wurde. Der Defekt könnte auch die Folge eines krankhaften Prozesses sein. Es könnte eine postmortale Beschädigung sein. Ein Wurm- oder ein Schneckenloch.«
»Aber er könnte von einem Nagel verursacht worden sein?«
Jakes Augen loderten vor Aufregung.
»Möglich ist es.« Meine Stimme klang nicht sehr überzeugend.
Kreuzigung? Wessen? Einen Kandidaten hatten wir bereits ausgeschlossen. Max war zum Zeitpunkt seines Todes zu alt, wenn man der Heiligen Schrift folgte. Oder zu jung, wenn man Joyces Theorie glaubte, die auf Grossets Schriftrolle basierte. Wollte Jake nun suggerieren, dass das die Knochen des Jesus von Nazareth waren?
Wie schon bei Max wollte ein winziger Teil meines Hirns daran glauben. Ein größerer Teil wollte es nicht.
»Du hast gesagt, du hast im Kidron-Grab noch andere Knochen gefunden?«, fragte ich.
»Ja. Plünderern sind skelettale Überreste scheißegal. Sie haben die Knochen einfach auf den Boden gekippt, bevor sie die intakten Ossuare wegschleppten. Die haben wir geborgen. Aber wir haben auch Knochen geborgen, die an den Innenseiten der Kästen hafteten, die sie zertrümmert und zurückgelassen haben.«
»Ich hoffe, diese Überreste sind in einem besseren Zustand als die da.« Ich deutete auf den Inhalt der Tupperware.
Jake schüttelte den Kopf. »Es waren nur Fragmente, und der Erhaltungszustand war nicht besonders. Aber die ausgekippten Knochen lagen noch auf getrennten Haufen, vermischt mit Ossuar-Fragmenten. Das half uns, die Knochen auf dem Boden bestimmten Individuen zuzuordnen.«
»Hat irgendjemand das Material untersucht?«
»Ein biologischer Anthropologe der Gruppe für Wissenschaft und Altertum der Hebräischen Universität. Er konnte drei weibliche Erwachsene und vier männliche Erwachsene identifizieren. Und
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